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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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seinem Bild. Statt dass jeder Junge durch seine Kreativität die Gruppe bereicherte, waren nur Drill und Uniformierung gefordert. Die Geschwister hatten bisher die Begeisterung geteilt, nun scheint folgerichtig: »Der Funke quälenden Zweifels, der in Hans erglommen war, sprang auf uns alle über.« Der Funke des Zweifels an den Idealen der Nationalsozialisten, die sie als HJ-Führer und BDM-Führerinnen bisher weitergegeben hatten an die Jungen und Mädchen, die ihnen unterstanden, an zukünftige Führerinnen.
    Die Grundlage für einen Mythos war gelegt, auch wenn Inge Scholl in ihrem Buch keine Daten nennt. Entscheidende Fragen bleiben unbeantwortet. Wann sprang der Funke über? Haben alle Geschwister gleichzeitig und gleichartig reagiert – von Inge, der Ältesten, bis zu Sophie Scholl? Welche praktische Folge ergab sich aus den Zweifeln: eine dramatische Umkehr?

WIR EROBERN UNSER DEUTSCHES VOLK

September 1935 bis Mai 1936
    Fünf Tage vor dem Beginn des Reichsparteitags in Nürnberg, am 5. September 1935, leitet Inge Scholl wie jeden Donnerstag den Schulungsabend für Ulmer Gruppenführerinnen der Jungmädel. Zur Vorbereitung gibt es – zentral verschickt von der Berliner Reichsjugendführung – für HJ und BDM getrennte Mappen. Da es innerhalb der NSDAP umstritten ist, ob man Mädchen überhaupt politisch schulen solle, sind die BDM-Führerinnen nicht streng an die Unterlagen gebunden und werden kaum kontrolliert. Sophie Scholl ist als Schaftführerin der Jungmädel in Ulm-Wiblingen an den Donnerstagabenden in der Bockgasse dabei.
    Inge Scholl hat ihre Notizen aufbewahrt, die sich auf die Struktur der Abende, vom Herbst 1935 bis weit in das Jahr 1936 hinein, beziehen. Für den »5.9.1935« heißt der Spruch: »Wir Jungen kennen nur dies eine: / Treue unserm Führer, denn er ist Deutschland / und wir sind sein Fundament, / mit dem er ein neues Volk / und uns eine neue Heimat / schmieden wird.« Das Thema ist »Schwaben. Seine Art und die geschichtliche Entwicklung Schwabenlands, Dichter und Helden«. Und dazu passend das Lied: »I hab a kleines Häusla / I hab a kleines Haus / Da will i drin wohna / I zieh nimmer aus.«
    Am 18. September steht das »Sigurlied der Edda« auf dem Schulungsprogramm, und am nächsten Tag folgt in den handschriftlichen Notizen der »19. Scheiding 1935, Führerbesprechung«. Im Oktober wird sie auch öfters vom »Gilbhart« sprechen. Was in der Rückschau lächerlich klingt, war der Versuch der Nationalsozialisten, die Monatsnamen zu »germanisieren«, um bei den Menschen das Bewusstsein für die »germanische Rasse« zu stärken, die angeblich allen anderen überlegen war und deshalb allein in Deutschland, ja ganz Europa das Sagen haben dürfe. November hieß »Neblung«, Mai »Wonnemond« – durchgesetzt hat es sich nicht.
    Der Spruch, den Inge Scholl am Schulungsabend des 19. September vorträgt – da war Hans Scholl seit vier Tagen vom Parteitag in Nürnberg zurück –, lautet: »Blut will zu Blut / Trotz Grenze und Wall / Volk will zu Volk / Deutsch überall.« Das passte zum Thema »Grenzland und abgetrennte Gebiete«, und Lieder dazu gab es auch reichlich: »Es steht ein Führer überm Land … Wir Jungen tragen die Fahne … Wir wollen ein starkes einiges Reich …« Ende Oktober gehen die Schulungs-Informationen in Tagebuch-Notizen über. Am 2. November 1935 taucht die jüngere Schwester auf: »Ich fahre mit Sofie … nach Wiblingen. Von dort aus marschieren wir mit der Schar nach Grimmelfingen.« Sie bringen eine Fahne in ein Landheim: »Schweigen. Unsere Gedanken gehen nur um die Fahne.« Die Nationalsozialisten nutzten konträre Techniken, um Gemeinschaftsgefühle zu erzeugen: zuerst im Gleichschritt marsch – dann meditative Stille. In den jugendlichen Führern und Führerinnen hatten sie gelehrige Schüler und Schülerinnen.
    Im Winter 1935/36 entsteht die Idee, städtische BDM-Gruppen aufs Land zu schicken, um dort Propaganda für die »NS-Mädel-Arbeit« zu machen und über die Mädchen die Eltern enger an den Nationalsozialismus zu binden. Am 13. November, einem Mittwoch, hat Inge Scholl einen »BDM-Abend in Einsingen, einen öffentlichen Heimabend, einen Märchenabend für die Mütter von dem ganz schwarzen Nest« geplant; mit neun Jungmädeln aus Ulm, »darunter Sofie «. So steht es im Tagebuch. Das schmucke Dorf liegt etwa 15 Kilometer südwestlich von Ulm, hat rund 2000 Einwohner, die gut katholisch – »ganz schwarz« – sind. Spät abends in der

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