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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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arm, aufgewachsen sind, hier im Jungvolk marschieren sie in der gleichen Kleidung nebeneinander für ein Ziel.« Das Miteinander der unterschiedlichen sozialen Schichten in der HJ galt ebenso für die Jungmädel, auch wenn die dem Berichterstatter nicht so wichtig sind.
    Am 28. März, dem Tag vor der Wahl, marschierte wieder ganz Ulm zum Münsterplatz – HJ- und BDM-Kolonnen inbegriffen –, wo ein großer Zapfenstreich angesagt war. Am Turm des Münsters leuchtete ein dreifacher Kranz aus 900 Glühbirnen. Während des »Wahlkampfs« wurden 17 000 Plakate angeschlagen, 162 000 Flugblätter verteilt, 3000 Meter Stoff für Spruchbänder verarbeitet, und die Ulmer BDM-Mädchen hatten 7000 Meter Girlanden geflochten. Inge und Sophie Scholl waren mehr als beschäftigt.
    Adolf Hitler beendete den Propaganda-Feldzug für seine Politik mit einer Massenkundgebung in Köln. Sein Propagandaminister Joseph Goebbels setzte den Schlusspunkt: »Man hatte das Gefühl, als sei Deutschland in ein einziges großes, alle Stände, Berufe und Konfessionen umschließendes Gotteshaus verwandelt worden, zu dem nun sein Fürsprecher vor den hohen Stuhl des Allmächtigen trat, um Zeugnis abzulegen für Wille und Werk.« Am 29. März 1936 stimmten 44,4 Millionen Deutsche für die Politik Adolf Hitlers; das waren 98,9 Prozent aller Wahlberechtigten. Die Wahl war weder frei noch gab es Alternativen, dafür Betrug, Drohungen und Einschüchterung an den Wahlurnen. Doch auch ohne die Instrumente moderner Wahlforschung ist die Annahme berechtigt, dass die tatsächliche Zustimmung dem Abstimmungsergebnis sehr nahe kommt. War die Remilitarisierung des Rheinlandes nicht ein grandioser Erfolg? Und hatte Hitler diesen Coup nicht gegen die Ratschläge der Experten im Auswärtigen Amt und der Reichswehr durchgesetzt? Wieder war auf unblutigem Weg ein Stück der gedemütigten deutschen Ehre wiederhergestellt.
    »Ich gehe mit traumwandlerischer Sicherheit den Weg, den die Vorsehung mich gehen heißt«, hatte Hitler am 14. März bei einer »Wahlkampfrede« in München seine Politik erklärt. Mit dem Frühjahr 1936 erreichte die Welle der Führerverehrung einen doppelten Höhepunkt; der Mythos von Hitlers Unfehlbarkeit ist vollends bei der Mehrheit der Deutschen verwurzelt. Zugleich scheint Hitler, der diesen Mythos bisher als Instrument zur Disziplinierung und Unterwerfung kühl genutzt hatte, von diesem Zeitpunkt an selbst überzeugt zu sein, messianische Kräfte zu haben; Erlöserqualitäten nicht nur auszustrahlen, sondern wirklich zu besitzen.
    Am 20. April 1936 hält Otto Dietrich, der Pressechef der Reichsregierung und seit 1929 in der NSDAP, am Radio die offizielle Rede auf Hitlers Geburtstag. Er nennt ihn einen »Titanen«, der sein Volk »zur Würde des Lebens, zum Licht der Freiheit und zum Glück nationaler Ehre« geführt habe. Niemals sei »ein Sterblicher je von soviel Liebe und Vertrauen getragen worden wie Adolf Hitler, der Mann aus dem Volke«. Am gleichen Tag notiert Inge Scholl »Vereidigung der Gruppenführerinnen: Ich gelobe Adolf Hitler unverbrüchliche Treue«.
    Wörtlich heißt der Eid, den in diesem Frühjahr aufgrund ihrer neuen Führungsämter auch Sophie und Liesl Scholl sprachen: »Ich gelobe meinem Führer Adolf Hitler mein ganzes Leben hindurch unverbrüchliche Treue.« Und Scharführerin Sophie Scholl hörte, was zuvor ein HJ-Führer den Jungen und Mädchen zugerufen hatte: »Seid euch bewusst, dass dieser Schwur Verpflichtung ist fürs Leben. Dass euer Leben nun dem Volk gehört, dem Volk und seinem Führer.« In die Stille nach dem gemeinsam gesprochenen Eid sprach ein HJ-Junge: »Wir schlossen uns zum Bunde / des Opfers und der Tat. / Auch in der Feierstunde / will Gott uns fest und grad. / Dass wir den Schwur nicht brechen, / dass wir im Tod noch treu / des Führers Namen sprechen; / drum bitten wir dich neu.« Treue bis in den Tod – fest und grad durchs Leben gehen: Das sind Ideale, für die man empfänglich ist, wenn man fünfzehn Jahre zählt – und wenn einen die Eltern dazu erzogen haben, Großes im Leben zu leisten, für sich und für die anderen.
    Vor allem das »Gerade-Sein« hat Sophie Scholl angesprochen; es fand Resonanz in ihrer Persönlichkeit. Als es an der Jahreswende 1939/40 in der Beziehung zwischen Sophie Scholl und Fritz Hartnagel zu einer tiefen Krise kommt, wird sie ihm schreiben: »Ich kann mich nicht aufgeben für Dich. Ich weiß schon, was Du denkst. Du denkst, das soll sie ja gar nicht. Aber im

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