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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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ins Jungvolk eingetreten, schätzte moderne Literatur und Malerei, hatte schriftstellerische Ambitionen. Die Begeisterung für tusk und die elitären dj. 1.11.-Ideale verbanden sich auch bei ihm mit einem Pathos von Hingabe, Opfer und Volksgemeinschaft, das die Nationalsozialisten propagierten.
    Ernst Reden wurde schnell Gast bei der Scholl-Familie, beeindruckte Inge und Sophie Scholl mit seinen kreativen Talenten. Max von Neubeck dagegen konnte den Kölner, der sich in seinen Ulmer Hoheitsbereich einmischte, gar nicht leiden, das kam bei den Querelen mit Hans Scholl hinzu. Max von Neubeck verschwindet in den Kulissen der Geschichte. Ernst Reden wird nur vorübergehend in den Hintergrund treten; aber nach zwei, drei Jahren bei den Scholl-Geschwistern und vor allem bei Inge Scholl einen wichtigen Platz einnehmen.
    Ähnliche interne Kämpfe um Führungspositionen und Inhalte wie bei der Hitlerjugend und dem Deutschen Jungvolk fanden im Bund Deutscher Mädel nicht statt. Die Bündische Jugend in der Weimarer Republik kannte kaum Mädchengruppen, also gab es auch keine Führerinnen, die massenhaft nach 1933 in den BDM übertraten und dort bündisch agierten. Auch nicht bei den Jungmädeln, die außerdem keine vergleichbare Bedeutung innerhalb des BDM hatten wie das Jungvolk innerhalb der Hitlerjugend. Deshalb gab es 1935/36 für Inge und Sophie Scholl in ihrer Gruppenarbeit auch keinen Bruch, keinen Umschwung und keine Streitereien mit BDM-Vorgesetzten wie bei Hans Scholl und Max von Neubeck. Und weil die politische Kontrolle über die NS-Mädchenarbeit weniger streng war, konnten Sophie und Inge Scholl mit ihren Gruppen weiterhin Rituale und Geländespiele pflegen, die ihren Ursprung in bündischen Traditionen hatten, wie sie es bei ihrem Bruder erfahren und abgeschaut hatten.
    Aber das bedeutet noch keine Anti-Haltung, keine Abgrenzung vom nationalsozialistischen Gedankengut. Inge und Sophie Scholl mussten sich nicht auseinandersetzen mit vorangegangenen Traditionen von Mädchen-Bünden – es gab keine. Für sie war der nationalsozialistische BDM eine willkommene Revolution: wie die Jungen in jugendlichem Alter sich ohne Gängelung durch Erwachsene ein eigenes Milieu, eine eigene Freizeitkultur aufbauen zu können. Dass sie dies im Rahmen der »nationalen Erhebung« taten und als Dienst an der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft – was war falsch daran? Dass der BDM ausgerichtet war auf den Führer, den Retter Deutschlands aus Elend und Demütigung, dem ein ganzes Volk zu Füßen lag – war das nicht selbstverständlich?
    Es gibt keinerlei Hinweise oder Überlieferungen, wie Inge und Sophie Scholl auf die Absetzung von Hans Scholl als Fähnleinführer und seine Auseinandersetzung mit Max von Neubeck reagiert haben. Man möchte vermuten, dass sie auf der Seite des Bruders standen, ihn ungerecht beurteilt sahen. Aber alles bleibt Vermutung, nichts ist überliefert. Belegen lässt sich, dass das Ende der Karriere von Hans Scholl im Jungvolk nichts dergleichen bei den Schwestern nach sich zog.
    Der Mythos vom frühen Zweifel hält den Fakten nicht stand. Im August 1936 erhielt Hans Scholl für eine Lapplandfahrt mit seiner Truppe nach Schweden einen offiziellen Fahrtenausweis. Und der Streit mit Max von Neubeck hatte keine unüberbrückbaren politischen und menschlichen Gegensätze aufgerissen. Am 14. Oktober 1936 beauftragte Neubeck Hans Scholl mit der Führung vom Jungzug II/12, obwohl er wusste, dass Scholl wegen Abiturvorbereitungen bald keine Zeit mehr fürs Jungvolk haben würde. Eine Bescheinigung der NSDAP-HJ-Ulm vom Dezember 1938 für Scholls Immatrikulation in München hält fest, Hans Scholl »trat im Mai 1933 in die HJ ein, seit Oktober 1933 war er als Führer im Jungvolk tätig, bis er im November 1936 für die Vorbereitung der Reifeprüfung beurlaubt wurde.« Das klingt geschäftsmäßig, ohne Misston.
    Die Versuchung ist groß, den vereinfachenden Parolen dieser Zeit und den Schwarz-Weiß-Bildern der braunen Propaganda noch im Rückblick zu erliegen. Es war eine facettenreiche, vieldimensionale Zeit, in der Gegensätzliches – das im Nachhinein unvereinbar scheint – sich reibungslos verknüpfte. Die meisten Erwachsenen hatten ein gutes Gefühl: Endlich schien die Zerrissenheit – im Staat und im Individuum –, die man als Preis und Siegel der Moderne nicht wahrhaben wollte, geheilt. Und für die Jugend, die sich nach Aufbruch, nach Sturm und Bewährung im Widerspruch sehnte, wurde das Opfer zum

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