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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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Hans Scholl nach der Rückkehr in die Kaserne an die Eltern schrieb. Von den Geschwistern war allein Inge Scholl, die Älteste, von den Eltern über die Anklage in Sachen Paragraph 175 informiert worden.
    Ein Brief von Inge an Hans Scholl, am 18. Januar 1938 geschrieben, zeigt, wie alle in der Familie zusammenhalten und zugleich jeder für sich versucht, wieder einen festen Platz im Alltag zu gewinnen: »Gestern Abend waren Werner, Sofie und ich in dem Konzert der NS-Kulturgemeinde. Erst die Tänze von Kodály, ganz bezaubernd. Dann Dvorˇák und zum Schluss Tschaikowsky. Wir waren hell begeistert. Man wird einfach im tiefsten aufgewühlt durch solche Musik. Alles andere verschwindet – restlos alles … Bei uns ist alles soweit in Ordnung. Werner versucht, sich aus allem Chaos einen Weg zu bahnen, und ich werde ihm helfen, wo ich kann. Mutter ist fröhlich und Lisl arbeitet viel fürs Seminar. Sofie hat ein sehr feines neues Bild gezeichnet mit Kohle. Du wirst sicher überrascht sein, wenn du am Samstag kommst. Ich ließ einen Rahmen dafür arbeiten.« Von Robert Scholl, der am Tag zuvor an seinen Sohn Hans geschrieben hatte, erfahren wir, dass Lina Scholl mit Liesl in der Kirche war, während die anderen im Konzert saßen. Als die Mutter nach Hause kommt, fügt sie noch ein paar Zeilen hinzu: »Die Kirche ist aus. Zur Zeit ist hier Volksmission, das gibts nicht alle Tage. Wir wollen diese Zeit auch ausnützen, heute hieß das Thema ›Warum bin ich nicht glücklich‹.« Glaube und Frömmigkeit hatten einen festen Platz im Leben von Lina Scholl, daran hatte sich nichts geändert. Und auch nicht daran, dass sie beides den Kindern vermittelte, ohne aufdringlich zu sein oder Druck auszuüben.
    Während des Verhörs durch den Gestapo-Beamten am 18. Februar 1943 gab Sophie Scholl zu Protokoll: »Die Gründe meiner weltanschaulichen Entfremdung vom BDM und damit der NSDAP, etwa im Jahre 1938, liegen in erster Linie darin begründet, dass meine Schwester Inge, meine Brüder Hans und Werner im Herbst 1938 wegen sogenannter bündischer Umtriebe von Beamten der Geheimen Staatspolizei verhaftet und einige Tage bzw. Wochen in Haft behalten wurden. Ich bin heute noch der Auffassung, dass das Vorgehen gegen uns sowie auch gegen andere Kinder aus Ulm vollkommen ungerechtfertigt war.« Aus dieser Aussage ist zu lernen, was den Nachgeborenen so schwer fällt: dass die Realität der nationalsozialistischen Lebenswelt nicht in Schwarz-Weiß-Bildern fassbar ist. Gut und Böse liegen nicht sichtbar und säuberlich getrennt vor unseren Augen. Auch wer zum Gegner der braunen Ideologie wurde, konnte jahrelang Aktionen und Wirklichkeiten nationalsozialistischer Politik grundsätzlich bejahen und nicht erkennen, dass im Geheimen alle Politik auf verbrecherische Ziele zugeschnitten war und jede Aktion eine wirkungsvolle Vorstufe, diesem Ziel näher zu kommen.
    Der Bund Deutscher Mädel, in Sophies Fall die Jungmädel, waren kein Sport- und Wanderverein, so sehr Körperertüchtigung, Fahrten und Lieder am Lagerfeuer dazu gehörten. Es ging in diesen Organisationen um weltanschauliche Ausrichtung im Sinne der Nationalsozialisten, und diese Ausrichtung hat Sophie Scholl nach eigener Aussage mehrere Jahre lang bejaht. Einen Grund, sich von dieser Weltanschauung abzuwenden, sieht Sophie Scholl im Rückblick in den Verhaftungen ihrer Geschwister im Herbst 1937, die Angabe 1938 kann nur ein Gedächtnisirrtum sein. Die zeitnahen Tagebucheintragungen und Briefe von Sophie Scholl ab November 1937 bis ins Frühjahr 1938 enthalten allerdings keine Hinweise, keine Berichte über das, was Inge und Werner und auch Sophie selbst im November und Hans Scholl im Dezember 1937 geschah. Nur die Geschichte vom Heimkommen in der Morgenfrühe, von der verschlossenen Tür und dem Vater am Fenster, der die Gestapo vermutete, ist ein indirekter Hinweis in ihrem Brief an Fritz Hartnagel. Im Mittelpunkt jedoch steht das schlechte Gewissen von Sophie und Liesl Scholl über ihr langes Ausbleiben und die Angst vor einem väterlichen Donnerwetter.
    Was Sophie Scholl selbst im Nachhinein betont und was in den Geschichtsbüchern zum Wendepunkt stilisiert wird, hatte zum aktuellen Zeitpunkt eine andere Gewichtung. Vielleicht wurde ihr das schon unmittelbar nach ihrer Aussage im Februar 1943 klar. Denn sie legt sofort nach, um andere Akzente zu setzen: »Als weiteren und schließlich als hauptsächlichsten Grund für meine Abneigung gegen die Bewegung möchte ich anführen,

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