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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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ihm davon. Am 5. Mai hat Annelies Kammerer wieder eingeladen: »Ich hab nicht mal Katzenjammer, obwohls bei Kammerers ziemlich zu trinken gab. Mit den Kerls, die da waren, hättest du Dich sicher nicht besonders verstanden; … Wir haben ziemlich getanzt.« Fünf Tage später: »Am Samstag habe ich lang auf Dich gewartet, wie Du nicht kamst, ging ich mit Oskar Stammler zum Maitanz seiner Klasse. … Ich habe wieder mal so richtig getanzt. Das war natürlich ein Fehler, denn jetzt heißt es, ich hätte sehr unsolid getanzt. Ich bin immer viel zu harmlos. Aber es reut mich nichts, dazu war mir der Abend viel zu nett, mögen sie jetzt schwätzen.« Will Sophie Scholl dem »Geschwätz«, das wahrscheinlich Fritz Hartnagel bei seinem nächsten Ulm-Besuch von gemeinsamen Bekannten zu Ohren kommen wird, die Spitze nehmen? Sendet sie wieder eine kaum verschlüsselte Botschaft: So bin ich, ehrlich und direkt; ich habe nichts zu verbergen? Will sie ihn eifersüchtig machen?
    Am 6. Mai hatte Familie Scholl mit einer abendlichen Feier Inge, die Älteste, verabschiedet und nach Mitternacht zum Zug gebracht. Sie wird sechs Monate in Lesum bei Bremen in der Familie eines Freundes von Robert Scholl als Hausmädchen arbeiten. Damit entgeht sie dem Risiko, ein halbes Jahr Reichsarbeitsdienst leisten zu müssen, im Lager kaserniert zu sein, beim morgendlichen Flaggehissen anzutreten und im Schulungsunterricht zu sitzen. Ein Riss wird sichtbar: mit den Ulmer Jungmädeln ein Märchen einstudieren – ja, mit Freude; in übergeordneten Institutionen für den Nationalsozialismus Zeit und Arbeitskraft einsetzen – nein, nicht mehr erwünscht.
    Sophie Scholl vermisst die ältere Schwester schon im Voraus, wie sie Fritz Hartnagel am 22. April schreibt: »Sie wird mir fehlen, sie war immer meine liebste Schwester, oder wir verstanden uns sehr gut. … Sie passte auch in jeder Beziehung auf mich auf, das weißt Du ja. Wer kümmert sich jetzt um meine Arten und Unarten?« Die Praxis sah dann weniger emotional, eher handfest aus: »Seit Inge weg ist, muss ich auch mehr schaffen. Schaden tut es nichts.« Schon drei Tage früher, am 16. Mai, hatte sie Lisa Remppis geschrieben: »Heute ist Mutter in Stuttgart, ich habe so ein bisschen gekocht. Das ist aber aufregend.«
    Der April war extrem launisch gewesen, nicht nur in bezug auf das Wetter. Sie sei »saumäßig schlecht aufgelegt«, meldet Sophie Scholl am 22. April, Schuljahres-Ende, an Fritz Hartnagel. Ihrer Schwester Liesl hatte sie heimlich Briefpapier entwendet und ihr »aus Wut 3 weitere Briefpapiere geklaut. Sie merkt ja doch nichts. Inges Kette biss ich auch kaputt«. Dann kommt Fritz an die Reihe, von dem sie vermutet, dass er ihren Brief nicht aufmerksam liest: »Pass auf, ich würde Dich am liebsten jetzt zwicken oder beißen, dass Du wieder aufwachst. Das tu ich die Annlis in der Schule immer, wenn es fad ist. Wenn Du Zeit und Lust hast, darfst Du mir noch viel langweiligere Briefe schreiben wie ich, ich lese sie trotzdem. Halloh: den vorhergehenden Satz musst Du lesen. Wenn ich mich Dir, Dir mich jetzt vorstelle, dann grinst Du jetzt und deshalb möcht ich Dich ganz fürchterlich verhauen.« In dem Ton und Stil geht es noch eine Weile fort: neckisch, kindisch. Und dann, gegen Ende, sagt sie ohne Umschweife, wohin alle ihre Albernheiten zielen: »Weißt Du was? Jetzt nimmst Du Dir mal Zeit, das kannst Du als Leutnant, und schreibst mir.« Das pubertäre Gefühlschaos ebbt ab, die selbstironische Distanz kehrt zurück: »Gut dass der Brief in einem Cuvert geschickt wird, ich würde ja Dich und mich sterblich (oder unsterblich?) blamieren. Also, adiö, und herzliche Grüße und Aufwiedersehen oder Aufwiederlesen (ich möchte lesen) Deine Sofie.«
    Vielleicht hatte auch das Frühjahrszeugnis zu ihrer schlechten Laune beigetragen. Sie zeige »in den Leibesübungen immer gute Leistungen« und »Eifer in den sprachlichen Fächern«, bestätigten ihr die Lehrer. Aber insgesamt erwarte man von Sophie Scholl »mehr Pflichtbewusstsein und straffere Haltung«; Fleiß und Mitarbeit seien nicht befriedigend.
    Aus dem Frühjahr 1938 ist noch ein Ereignis zu berichten, das Sophie Scholl in keinem der erhaltenen Briefe erwähnt; auch ein genaues Datum ist nicht überliefert. Einzelheiten hat ihre Freundin Susanne Hirzel überliefert. Sophie und Liesl Scholl, Susanne Hirzel und weitere Führerinnen von Ulmer JM-Gruppen wurden in die Geschäftsstelle der Hitlerjugend bestellt. Aus Stuttgart war eine

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