Sophie und der feurige Sizilianer
hörte er in der Ferne einen furchtbaren Knall. Und dann … Stille.
Das war fast noch schlimmer zu ertragen.
Während Marco rannte, als ginge es um sein Leben, wehrte er sich gegen grauenhafte Fantasiebilder, die ihm zerborstenes Metall und zerbrochene, blutige Gliedmaßen vorgaukelten. Nein, Sophie lebte! Ihr durfte nichts passiert sein!
Die Szene, die sich ihm bot, als er endlich die Kurve erreicht und hinter sich gebracht hatte, entlockte ihm einen dumpfen Schrei.
„Nein, das ist nicht passiert!“ Immer wieder schüttelte er den Kopf.
Der Geländewagen hatte sich offenbar mehrfach überschlagen und war dabei einen Abhang hinuntergerollt, wobei er eine Schneise der Verwüstung hinterlassen hatte. Unter herausgerissenen Büschen und Grassoden konnte Marco kaum mehr als aufblitzende Metallteile und das gedämpfte Scheinwerferlicht ausmachen, das gen Himmel zeigte. Eiskalte Furcht schnürte seine Kehle zusammen.
Sein erster Instinkt war, einfach zum Wagen zu stürzen und nach Sophie zu sehen. Doch er zwang sich zur Ruhe und versuchte zunächst, die genaue Position des Unfallfahrzeugs zu analysieren. Als er erkannte, dass der Geländewagen wie eine Wippe auf einem dicken Felsbrocken lag und drohte, bei der leichtesten Verlagerung in die Tiefe zu stürzen, stockte sein Herzschlag. Es war eine Szene wie aus einem Horrorfilm.
So weit es möglich war, ohne eine derartige Katastrophe zu provozieren, arbeitete Marco sich behutsam vor, bis er ein Stückchen seitlich von dem verunglückten Gefährt Halt auf einem Felsvorsprung fand.
„Sophie“, rief er leise und sandte zum ersten Mal in seinem Leben ein Stoßgebet zum Himmel. Bitte, lieber Gott, lass sie leben! Mach, dass sie mich hört! Und dann noch einmal eindringlicher: „ Sophie!“
Seine Frustration wuchs, als er sah, dass die Fahrerseite durch Felsgeröll blockiert war. Es schien Stunden zu dauern, bis er sich zur Beifahrertür vorgetastet hatte, sie mit angehaltenem Atem öffnete und zentimeterweise weiter aufzog.
„Sophie!“
Der Innenraum war voller Rauch, und Marco hustete unterdrückt. Dio mio! Er musste Sophie dort rausholen, bevor sie erstickte!
Nachdem sich der Rauch durch die offene Tür zunehmend verzog, und Marco feststellen musste, dass der Innenraum leer war, wurde ihm zunächst fast übel vor Erleichterung. Doch dann griff erneut heiße Angst nach seinem Herzen.
Wo, zur Hölle, war Sophie?
Als er um sich sah, bemerkte er etwas Scharlachrotes. Ein Stückchen Stoff flatterte in der leichten Brise, die durch die zerborstene Windschutzscheibe hereinwehte. Als er instinktiv danach griff, fiel ihm ein etwas blasserer, verschmierter roter Fleck auf dem zersplitterten Glas auf.
Blut! Reiß dich zusammen! befahl er sich selbst, da der Wagen sich durch seine Schreckbewegung mit einem dissonanten Knirschen leise senkte. Angespannt und voller Konzentration zog Marco sich stückweise zurück und atmete erst auf, als er wieder oben auf der Straße stand.
Wo war Sophie?
Wieder und wieder nach ihr rufend, sondierte er die Umgebung und spürte, wie sein Herz einen Schlag aussetzte, als er sie endlich entdeckte. Wie eine Erscheinung löste sie sich aus dem Schatten der Bäume, taumelte auf ihn zu und flüsterte immer wieder seinen Namen.
Er konnte ihr nicht antworten, sein Hals war wie zugeschnürt. Zitternd vor Erleichterung schloss er sie in die Arme, schob sie aber gleich darauf wieder ein Stück von sich und schaute besorgt in ihr totenbleiches Gesicht. „Bist du verletzt?“
„Ich … ich glaube nicht.“ Ihre Stimme klang heiser und sehr schwach.
„Ich dachte … Ich hatte Angst …“ Marcos Stimme brach. Behutsam nahm er Sophie auf seine Arme. Ihr Kopf fiel kraftlos gegen seine Brust.
„Für einen Moment dachte ich auch …“, flüsterte sie.
In einer plötzlichen Aufwallung drückte Marco sie an sich, ließ aber gleich wieder locker, weil Sophie leise aufstöhnte.
„Hast du irgendwo Schmerzen?“
„Nein“, log sie und dachte: Überall! Besonders in meinem Herzen! „Nichts gebrochen, nur ein paar Schrammen.“ Dann legte sie eine Hand an Marcos raue Wange. „Es tut mir leid um deinen Wagen.“
„Es war nicht meiner.“
Seine pragmatische Antwort entlockte ihr ein Kichern. Gleichzeitig überlegte Sophie, wie italienische Gefängnisse wohl von innen aussahen. „Ich war aber nicht betrunken“, verteidigte sie sich schwächlich. „Nur ein paar Tropfen Champagner … ehrlich! Ich habe auf die Bremse getreten, aber nichts
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