Sophie und der feurige Sizilianer
naive Unschuld wetzte sich die Krallen an einem echten Schwerenöter und schien das auch noch zu genießen! Marco fühlte sich von einem jähen Déjà-vu-Erlebnis überfallen und versuchte sofort, es wieder abzuschütteln.
Er hatte schon einmal den Fehler begangen, eine Frau zu heiraten, die die personifizierte Unschuld zu sein schien. Anschließend hatte er zusehen müssen, wie sie zu einer geldgierigen Hexe mit der Moral eines Callgirls mutiert war, sobald sie seinen Ring am Finger getragen hatte!
Hatte er sich zum zweiten Mal geirrt?
Gerade als Marco mit finsterem Gesicht losmarschierte, wobei er gegen eine sengende Wut ankämpfte, wie er sie nie zuvor verspürt hatte, wurde Sophie von ihrem Tanzpartner genau in seine Richtung gewirbelt. Dabei prallte sie gegen einen älteren Mann, dessen Frau einen warnenden Ruf ausstieß, weil sie sich um Sophie sorgte.
Wie von einer ausgestreckten Faust gestoppt blieb Marco stehen und schaute in ihr rosiges, aufgelöstes Gesicht und die lachenden blauen Augen. Hatte er wirklich eben Sophie mit Allegra verglichen? Wie krank war das denn?
Während er sich mit unsicherer Hand durchs Haar fuhr, spürte Marco einen dicken Kloß im Hals. Wie konnte er nur die beiden Frauen miteinander vergleichen? Selbst rasende Eifersucht entschuldigte so etwas in keinem Fall!
Moment mal! Rasende Eifersucht? Hatte er das wirklich gerade selbst formuliert – wenn auch nur in Gedanken? Dio mio! Offensichtlich hatte es ihn noch viel heftiger erwischt, als er es sich bisher hatte eingestehen wollen.
Da sie es nicht gewohnt war, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, brauchte Sophie fast eine Stunde, bevor sie genau das erkannte.
Und sie wäre keine Frau gewesen, wenn sie sich nicht, nach jahrelangem Aschenputtel-Dasein, darüber gefreut hätte, endlich einmal die Rolle der schönen Prinzessin zu spielen. Doch hinter der strahlenden Fassade und aller vorgetäuschten Lebhaftigkeit und Begeisterung, die sie inzwischen nur noch mit Mühe aufrechterhielt, wurde ihr Herz immer schwerer.
Der einzige Mann, von dem sie gern gehört hätte, dass er die Ballkönigin in ihr sah – oder wenigstens ein Wesen aus einer anderen Welt, wie es einer ihrer Tanzpartner formuliert hatte –, schien ihre Nähe und Gesellschaft zu meiden. Dabei war heute ihr letzter gemeinsamer Abend, auch wenn Marco es nicht wusste.
Nachdem Sophie den letzten VIP-Helikopter verabschiedet hatte, ließ sie ihre fröhlich beherrschte Gastgeberinnenmaske fallen, nickte den patrouillierenden Sicherheitsleuten zu und ging zurück in den Palazzo .
Dabei kam sie an den illuminierten Bäumen vorbei, die mit ihren weißen Lichterketten genauso festlich und strahlend aussahen, wie sie es sich erträumt hatte. Aber das kümmerte sie jetzt nicht mehr.
Der ganze Ball war ein rauschender Erfolg gewesen. Sie hatte lächelnd Hunderte von Komplimenten eingeheimst, dazu vier zweifelhafte Anträge. Zwei davon sogar von Männern, die weder verheiratet noch angetrunken gewesen waren!
Und … Sophie spürte, wie sich ihr Herz vor Liebe und Ärger schmerzhaft zusammenzog … einen echten Heiratsantrag!
Marco hatte sie den ganzen Abend über kaum aus den Augen gelassen. Selbst wenn sie ihn nicht sah, spürte sie seine finster brütende Präsenz in ihrem Nacken. Er hatte ihre Gedanken und Gefühle derart gefangen genommen, dass sie kaum fähig war, sich auf etwas anderes zu konzentrieren.
Also alles wie immer! dachte sie kläglich.
Nach dem ersten Tanz und seinem verrückten Vorschlag, einfach den Ball zu verlassen, war es Marco selbst gewesen, der sie verlassen hatte! Vielleicht bereute er es inzwischen, ihr einen Antrag gemacht zu haben? Oder war er beleidigt, weil sie deswegen nicht gleich vor Freude und Begeisterung in Ohnmacht gefallen war?
Aus seiner Sicht konnte sie Marcos Irritation sogar nachvollziehen. Aber es fehlte einfach etwas ganz Entscheidendes an diesem Antrag …
Sophie presste die Lippen zusammen, raffte ihren Rock hoch und lief leichtfüßig die alten Steinstufen zur Terrasse hinauf. Durch die offenen Doppeltüren konnte sie in den immer noch illuminierten Ballsaal schauen, der selbst verwaist noch unglaublich vital und lebendig mit all den Kerzen und der frischen Blumenfülle wirkte.
Sekundenlang fühlte sie sich von Stolz überwältigt, weil es ihr gelungen war, dem schlafenden Riesen, wie sie den Palazzo anfangs heimlich genannt hatte, wieder Leben einzuhauchen.
Doch bereits im nächsten Moment kehrte die Traurigkeit
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