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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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schwankend im Türrahmen stand, mich einen faulen Racker schimpfte und behauptete, ich hätte seinen Mohnsaft geklaut. Er fauchte mich dann an, ihm das Zeug sofort zu bringen, was ich auch tat. Wenn ich mich mit der Ginflasche und dem Löffel ungeschickt anstellte, bekam ich zusätzlich noch einen schmerzhaften Rüffel auf den Kopf. Danach schlurfte er in seine Ecke beim Herd und warf mir von dort böse Blicke zu. Ich mußte ihm den Tee bringen, seine Laterne auffüllen, ihm eiligst die Stiefel polieren – und versuchen, ihn so rasch wie möglich aus dem Haus an seine Arbeit zu bekommen.
    Nur wenn Kappi klopfte und von draußen Papas Namen rief – was er immer häufiger tat – war ich gerettet. Kappi war dann auf dem Weg ins Bett – hundemüde, die arme Kreatur, denn unsere Tage sind länger als seine und daher anstrengend und ungewohnt. Trotzdem nahm er sich die Zeit, zu unserer Tür zu kommen und meinen Vater unter gutem Zureden zum Turm des Nachtwächters zu begleiten. Wenn Papa dann endlich weg war, spülte ich das Geschirr, kroch in mein kaltes Bett und lag dort einsam und allein, während die Schatten der Schiffe, die am Abend absegelten, lautlos über die Wände des Zimmers huschten.
    »Kappi«, fragte ich ihn, »was machen die Leute da oben in Hanover?«
    Kappi rückte sich die Mütze zurecht und schüttelte den schweren Kopf. »Große Geschäfte, die kleine Leute wie Sie nichts angehen«, brummte er. »Als Tochter tut man gut, dem Vater zu gehorchen.«
    Kappi, wirst du jemals meine Geschichte lesen? Schließlich warst du es, wie du weißt, der mich dazu bewogen hat, sie zu schreiben. Ich weiß, du wirst sie lesen und dabei malvefarben wie Lavendel anlaufen, weil du darin vorkommst. Du wirst es mißbilligen, sagen, daß du es nicht verdienst, die großherzigste Kreatur zu sein, die in dem Buch vorkommt. Ganz bestimmt hast du es nicht verdient, die beschämende und erniedrigende Arbeit zu verrichten, die man dir auf High Haven zugeteilt hat: die Straßen und Brücken zu fegen – und die Lampen anzuzünden, auf einer hohen, schwankenden Leiter! War ein Geschöpf jemals von Natur aus ungeeigneter für solche Arbeit? Kappi, du hättest ein Lehrer sein sollen, wie du mir einer warst, nicht ein Straßenfeger, der sich mit Besen und Schaufel abmüht und Abfall und Kot wegkarrt. Aber für die Lehre der Philosophie hattest du vermutlich die falsche Statur und Größe.
    Manchmal denke ich, das Universum ist ein gigantisches Puzzle, und wir sind die Teile, alle kunterbunt vermischt und weit entfernt von den Ausschnitten, in die wir hineinpassen. Wie wir unser aller Leben auch wenden und drehen mögen – das Puzzle wird nie zu Ende gelegt werden.
    Kappi ist ein Ophiq, der einzige seiner Art auf High Haven. Ich war gerade sieben Jahre, da zählte Kappi schon 82 Jahre in seiner Zeitrechnung. Er kannte alle Sterne und nannte mir ihre Namen, immer wieder, während Percy ihm dauernd um die kleinen Beine strich. »Von welchem kommst du, Kappi?« fragte ich, während ich auf seinem Karren hockte und in den schwarzen Himmel hinaufstarrte.
    Er sagte mir dann in seiner Sprache einen Namen, der klang wie Wasser, das über Steine sprudelt. »Nein, Kappi, nein«, rief ich und gab ihm frustriert einen Klaps, obwohl seine harte Haut meiner Hand weh tat.
»Nach der Helligkeit streben«, sagte er in seiner seltsamen Art. »Dort!« Und er deutete mit seiner Schnauze nach oben.
    Der Ophiq ist ein dickhäutiger Zweifüßer von Arcturus IV, einer schweren Welt. So steht es jedenfalls im
Strakes Register.
Die Abbildung daneben ist Kappi, wie er leibt und lebt: vier Fuß groß und geformt wie eine Glocke. Kappi war unser einziger Besucher – und der ideale Kollege für Papa, obwohl sie zu genau entgegengesetzten Zeiten Dienst taten. Es war typisch für Papa, die Gesellschaft von Leuten zu suchen, denen er überlegen war: die Bescheidenen und Einsamen, die sich ihm nicht widersetzen oder ihn verletzen konnten. Ich saß meist am Tisch und säuberte mit einem Lappen Papas Stiefel, während Kappi, nachdem er seine altmodische Mütze abgenommen hatte, sich wie ein zweites Kind auf den Teppich hockte, vorsichtig eine Tasse Tee in seinen Pfoten balancierte und Papas Worten lauschte.
    Es kursierten damals wieder Gerüchte über die Station, die die Holländer – vielleicht waren es auch Österreicher – bauen und durch eine Eisenbahnlinie mit High Haven verbinden wollten. Papa war dagegen. Er war gegen die meisten Dinge. »Die Zugmaschinen

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