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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Erlaubnis hatte, mit seinem Schiff herumzukurven, wollte er nicht untätig dabei zusehen und seine Schulter kurieren. Ich muß mich aber selbst loben, denn ich machte meine Sache auf dieser ersten Reise ganz ordentlich, obwohl ich ein-oder zweimal den Bug aus dem Wind nahm.
    Hatte ich dazu keine Lust mehr, erhörte ich Brunos Bitte und saß ihm Modell, damit er das Bild von mir fertigstellen konnte. Dabei blies er vor Eifer die Wangen auf und spitzte die Lippen. Er sah dann aus wie ein übergroßer, braungebrannter und bärtiger Cherub.
    Unzählige Male erklärte mir mein Beschützer in dieser Zeit seine Liebe. Wenn er damit anfing, floh ich hinaus in die Takelage. Dort hingen die Sterne in dicken Klumpen – wie Froschlaich in einem Teich. Ich wußte nicht, ob Bruno wirklich so empfand oder nicht. Nie zuvor hatte sich jemand so sehr um mich gekümmert, daß er sogar die glücklose Zickzack-Linie meiner Existenz nachzuvollziehen suchte, als ich selbst schon längst damit abgeschlossen hatte. Vermutlich sollte ich ihm dafür danken, aber das würde ich tun, wenn sich seine Zuneigung als wahr erwies.
    In jenen Tagen schien mir Mama sehr weit entfernt. Ich wünschte, ich hätte sie fragen können, wie es war, jemand zu lieben, wie man es merkte und was man dabei tun mußte. Ich wußte, daß ich, selbst wenn ich mir Mühe gab, möglicherweise seinen Erwartungen nicht genügte, wie immer diese aussehen mochten. Ich gestehe, ich verdrängte Io so weit wie möglich aus meinen Gedanken und hoffte, wir würden für immer in dieser süßen, sicheren Ungewißheit weitersegeln.
    Trotzdem erreichten wir schließlich den Jupiter am Aphel, dem sonnenfernsten Punkt seiner Umlaufbahn, und ich sah mich von Angesicht zu Angesicht dieser riesigen Scheibe gegenüber, die vor lauter Stürmen und Rauch die Stirn runzelte.
    Unbeeindruckt bestimmte Captain Andreas den Vektor und ließ mich für uns eine freie Passage suchen. Ich stand in völligem Gleichgewicht mitten im Flux und ging auf Zehenspitzen weiter. Es war wie ein Tanz – mit dem Schiff als Partner. Wir segelten unter dem weiten Bauch des Königs der Planeten entlang und kamen in die Nähe der Monde.
    Dann schien es lange Zeit, als hingen wir regungslos in der Unendlichkeit, während Io langsam aus der Weite heraufkroch, auf uns zuschwamm und sich unter uns streckte wie eine ungeheure, verrottete Bienenwabe. Durch den Nebel und das Dunkel tauchten die grünen Eisklippen auf und griffen wie Gespenster nach uns, wie die hochgewachsenen Wächter eines unterseeischen Märchenlandes. Thermiken packten das Schiff, als es langsam ohne Ballons tiefer sank, und rüttelten es durch. Die Caspars hatten in den Niedergängen Zuflucht gesucht.
    Die
Giaconda
ging in einer natürlichen Bucht zwischen den Bergen vor Anker. Ihr Herr und ich schluckten Nitro-Pastillen und schlüpften in unsere Mäntel und Helme. Mr. Caspar öffnete die Schleuse, Captain Andreas salutierte lässig und winkte uns an Land. Während ich die schwankende Planke hinunterging, rollte ein schwerer Donnerschlag über die Berge, und der dicke, klebrige Regen von Io lief an meinem Helmvisier herunter. Nirgends sah ich ein Gebäude oder ein anderes Anzeichen von Zivilisation. Es gab ein halbes Dutzend weitere Monde, doch keiner war zu sehen. Wieder rollte der Donner, und ich fragte mich, ob es wirklich Donner war oder das Grollen des Feuers, das tief unten im Boden Rülpser von sich gab.
    Das war der Moment, in dem der riesige, zottelige Ochse aus dem Nebel auftauchte. Er zog eine altmodische Kutsche hinter sich her. Geschwärzt vom Ruß und der ewigen Nacht, war jede Farbe schon längst verblichen. Trotzdem war das Relief am Schlag – ein Auge und ein Pfeil – deutlich zu erkennen.
    Noch während ich es anstarrte, schwang der Schlag lautlos auf.
    Der leblose Kutscher auf dem Bock hatte sich nicht gerührt, doch auf ein Nicken von Bruno hin stieg ich ein. Er folgte mir und schloß den Schlag. Die Kutsche rumpelte davon. Die Räder wirbelten Schlamm und Wasser auf.
    Bruno drehte einen Schalter. Die Kabine füllte sich mit Luft, und wir nahmen die Helme ab.
    Dann unterhielten wir uns über den Mann, der einen Mond gekauft hatte.
    Die Kutsche rumpelte durch dieses indifferente Unterwasser-Licht einen Berg hinauf. Jeden Augenblick schienen die Räder den Boden unter den Kufen zu verlieren und nur auf der dicken Luft, auf den Schleiern des Nebels weiterzufahren.
    Wir fuhren in eine breite Rinne hinein, so flach und eben wie eine

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