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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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die Falle unschädlich zu machen. Hätte er uns sonst nicht längst getötet, als wir in sein Haus eindrangen? Hätte er Bruno sonst nicht aufgefordert, seine ›Zigarrenabschneider‹ in den Schirmständer zu stellen?
    »Ein guter Hieb, Sir«, brummte der Earl. »Schön zu sehen, daß du noch nichts verlernt hast.« Er prostete Bruno mit seinem Whiskyglas zu, leerte es in einem Zug und bedeutete dem jungen Mann mit einer Handbewegung, in dem Sessel neben mir Platz zu nehmen.
    Bruno blieb stehen und betrachtete den Sessel. »Haben Sie für mich auch so eine nette Überraschung?«
    »Großer Gott, Junge«, rief der Earl grob, »du hast uns eine Kostprobe deines Könnens geliefert. Aber jetzt setzen wir uns und nehmen wie zivilisierte Menschen eine Erfrischung zu uns. Leg die verdammten Dinger hin und setz dich«, befahl er, während er an der Tür eines Vitrinenschränkchens herumhantierte. »Steh nicht da wie ein Klumpen Nierentalg. Du warst verdammt schnell, als du Fortescue erledigt hast.« Offenbar kam ihm wieder ein Scherz in den Sinn. Über die Schulter hinweg fragte er: »Hast ihn trotz all seiner Hände fertiggemacht, wie?« Er lachte rauh und phlegmatisch und spuckte gekonnt in den Schacht. Dann sah er mich mit dummen Kuhaugen an und brummte: »Tut mir leid, mein Schatz – eine schmutzige Angewohnheit. Muß mich dafür entschuldigen.«
    Bruno warf mir einen vielsagenden Blick zu, als ich den Helm beiseite legte und meinen Mantel aufzuknöpfen begann. Dann folgte er meinem Beispiel und zupfte seine Manschetten zurecht. Sein Blick besagte, daß auch er sich mir fügen würde. Trotzdem verriet mir seine Schulterhaltung, daß er keine Sekunde lang in seiner Wachsamkeit nachlassen würde. Die Schwerter lehnte er griffbereit gegen seinen Sessel.
    Ungeschickt goß Lord Lychworthy ein Glas Rotwein ein und reichte es mir. »Auf deine unüberwindlich gute Gesundheit, verdammt noch mal«, sagte er und trat wieder an den Schrank. »Sicher darf ich annehmen, daß du nicht singen kannst, oder, Miss? Deine Mutter hatte eine verdammt schöne Stimme.«
    Ich haßte ihn für diese Worte. Ich haßte ihn, daß er die ganze Zeit so von Mama sprach. Ich wäre am liebsten aufgesprungen und hätte ihn gefragt: »Warum haben Sie ihr dann die Kehle aufgeschlitzt?« Doch ich blieb sitzen und sagte lediglich: »Mir ist im Moment nicht gerade nach Singen zumute – wenn's recht ist, Sir.«
    »Schade«, antwortete er nur.
    Ich dachte wieder an die Kutsche und den Diener, und eine Welle plötzlicher Furcht rann mir den Rücken hinab. »Vielleicht später«, sagte ich.
    Er nickte grinsend. »Ah ja, du wirst später singen.« Er füllte ein zweites Glas mit Wein.
    Ich betrachtete mißtrauisch den Wein in meinem Glas. Wie konnte ich davon trinken? Woher sollte ich wissen, daß er nicht vergiftet war? Meine Kehle war wie zugeschnürt vor Mißtrauen und Furcht. Aber wie hätte ich nicht trinken können – jetzt, wo ich schließlich die Bestie bis in ihren Bau verfolgt und sie friedlich angetroffen hatte? Wie könnte ich jetzt einen Rückzieher machen und von meinem Weg abweichen?
    Vater reichte Bruno das zweite Glas. Doch der sah beiseite und schüttelte den Kopf. Mein Herz tat einen Satz. Wie konnte er nur den Gentleman so provozieren?
    »Um Himmels willen, Junge, zieh dir endlich den Besenstiel aus dem Arsch«, rief der Earl mit lauter, scharfer Stimme. »Nur ein Glas Wein«, fuhr er ungeduldig fort und hielt ihm immer noch das Glas hin, »um auf Perditas Heimkehr anzustoßen.«
    Ich fragte mich, ob ich nicht schon mit einem Bein in der Hölle stand. Was war denn schlimmer: die Aussicht auf einen Trick des Earls und ein augenblicklicher Tod, oder ein zukünftiges Leben hier in diesem Haus im Dienste dieses Minotaurs? Vielleicht bestand die Hölle ja nur darin, auf ewig verdammt zu sein, immer wieder das zu tun, was man schon getan hatte.
    Bruno nahm zögernd das Glas Wein entgegen. Er sah zu mir hin, und in seinen Augen stand ein warnendes Wetterleuchten.
    Mein Vater goß sich selbst ein Glas ein, das viel größer als meins war. Er hob es und prostete mir zu. »Auf Lady Perdita von Io«, rief er und tat, ohne auf uns zu warten, einen tiefen Zug.
    Die Gläser konnten nichts enthalten, sagte ich mir, denn sie hatten mit der Öffnung nach unten in der Vitrine gestanden. Vater hatte drei Gläser aus derselben Flasche eingegossen und auch selbst davon getrunken. Bewußt hatte er mich vor dem Skorpion-Ding gerettet. Er ist nicht der

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