Sophies Kurs
zu verstecken, doch kaum hatte ich mich bewegt, streifte ich eine in halber Höhe aufgehängte Metallstange, die wie ein Tor zur Seite schwang, und dicht an meinen Ohren hörte ich das Klimpern von Drähten und Metallkugeln. Etwas traf mich am Kopf, und ich stolperte. Ich griff ins Dunkle, um mich vor dem Sturz zu bewahren, doch alles schien vor mir zurückzuweichen. Ich erkannte, daß ich in einer mechanischen Falle saß und nun tatsächlich sterben mußte, in Scheiben geschnitten wie ein Stück Käse.
Aber mein Vater fluchte und lachte. »Vorwärts mit dir«, knurrte er, und ich hörte, wie das Weinglas klirrend zerbrach, als er es gegen die Maschine schleuderte.
Ich stolperte weiter bis zum oberen Ende einer Treppe. Mein Vater drängte mich zur nächst tieferen Ebene hinab. Ich wußte nicht mehr zu sagen, wie tief wir inzwischen hinuntergestiegen waren. Hier unten fehlte jeglicher Schmuck: es gab keine Statuen, keine Bilder. Nur nackten Fels. Ebenso fehlte jegliche Beleuchtung, bis der Earl eine Laterne aus einer Nische neben der Treppe nahm und sie mit einem Streichholz anzündete. Gerade passierten wir einen Durchgang, der mit zwei lackierten Papierschirmen zugestellt war. Das Licht der Laterne reichte aus, um mir zu verraten, daß dahinter der Fußboden weggebrochen und die Wände eingestürzt waren. Die Stufen waren fingerdick mit Staub bedeckt und neigten sich gewellt den Wänden zu. Trotzdem hastete ich sie hinunter. »Nicht so schnell, verflixt noch mal!« schrie mein Vater, und gemeinsam stiegen wir weiter hinab, schweigend, im schwachen Schein der Laterne – hinab in die Hitze.
Ich entdeckte nichts, das mir hätte helfen können. Mein Haar war naß vom Schweiß und klebte mir am Kopf. Ich versuchte, meinen Vater wieder zum Reden zu bringen. Wenn er über Mama reden wollte – nun gut, sollte er doch.
»War es auf dem Mond, Sir, wo Sie Mama den Ring gaben?«
»Nein, das war schon vorher. Ich war ein verdammter Narr, ihn ihr zu geben.«
Einen Moment lang glaubte ich, er würde nichts mehr sagen, und wollte schon selbst weiterreden. Doch er fuhr fort: »Ich mußte zur Venus zurückkehren, um dort in dem verdammten Trans-Solar-Vortex ausgebildet zu werden. Sie brach in Tränen aus. Eine verdammte Hure, die in Tränen ausbricht! Ich machte ihr eine Menge falscher Versprechungen und gab ihr den Ring.«
»Ich glaube, er war ihr liebster Besitz«, sagte ich, beschleunigte dabei wieder meine Schritte und eilte schneller vor ihm her die unebenen Stufen hinunter.
Er stapfte hinter mir her. »Zum Teufel, das war er«, pflichtete er mir bei, »und sie hätte dafür bestimmt ein hübsches Sümmchen bekommen.«
Die Treppe verengte sich. »Ich bin sicher, sie wollte Ihnen nicht schaden, Sir.«
»Und was sollte dann der Brief?« erwiderte er und fluchte. »Erpresserischer kann kein Brief sein.«
»Sie hat nicht einmal den Ring erwähnt«, erinnerte ich ihn. Im gleichen Moment bemerkte ich eine Tür, stürzte darauf zu und packte den eisernen Türgriff. Die Tür war versperrt, ich konnte nicht mal daran rütteln.
»Ich war ein verdammter Narr, ihn ihr zu geben«, wiederholte mein Vater, der meine Mätzchen ignorierte und unausweichlich hinter mir die Treppe herunterkam. »Und sie war so dumm, diesen Versuch zu starten. Hätte sie sich ruhig verhalten, könnte sie heute noch leben.«
Ich blieb im Dunkeln auf dem Absatz stehen. Mir war heiß, ich war müde und ärgerte mich über meine eigene Unentschlossenheit, meine törichten Hoffnungen. Hier unten gab es nichts, wohin ich weglaufen, nichts, wo ich mich verstecken konnte – außer in der Dunkelheit.
»Sie hat bekommen, was sie verdiente«, knurrte mein Vater und kam mit erhobener Laterne die letzten Stufen herunter. »Ach, du wolltest dich davonschlängeln, du kleine Larve. Du hast dein ganzes Schädlingsdasein nur damit verbracht, dich vor dem Aufspießen zu bewahren.«
Ich dachte an Bruno, spreizte die Füße und zog mein Messer.
Mein Vater sah mich an, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich weiß nicht, was du damit zu erreichen hoffst«, sagte er langsam, fast freundlich. Dabei hob er das Schwert, als ob er mir damit meinen Fehler demonstrieren wolle. Seine krächzende Stimme hallte laut über den Treppenabsatz. »Deine Ma hat auch einen Fehler gemacht. Sie ist schon lange tot. Warum willst du in deinen letzten Minuten noch unbedingt Schmerzen ertragen?«
»Bleiben Sie weg von mir!« rief ich und umklammerte das Messer fester, obwohl ich selbst der
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