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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Ansicht war, daß ich damit nichts ausrichten konnte. Meine Hand bebte, und mein Arm wurde schon steif. Ich merkte, daß ich weiter zurückwich, und Tränen der Wut schossen mir in die Augen.
    »Ich verrate dir etwas, mein Schatz.« Er kam mit der Laterne näher. »Du sollst es auf die richtig harte, blutige Art zu spüren bekommen.«
    Die Stufen führten noch tiefer in den Fels hinunter zu einem Gang, der vor einer anderen schweren Tür mündete. Das Ende!
    Schweratmend packte ich den Türgriff, drehte ihn –und wäre beinahe gestürzt, als die Tür aufschwang. Ich sprang und stolperte eine roh behauene Treppenflucht hinunter und landete schließlich auf verrotteten Holzplanken, die wie das Deck eines Schiffes unter meinen Füßen auftauchten. Ich konnte gerade noch ihren Rand ausmachen. Die hölzerne Plattform war nicht mal zwei Yards breit. Ringsum und darunter war nur noch stickig heiße Leere.
    Rechts von mir führte ein dünner Handlauf in die Dunkelheit. Ich griff danach und spürte erschrocken, wie er nachgab. Mit dem sanften Knirschen von kristallisiertem Metall lösten sich die Halterungen aus der Wand.
    Ich ließ mich zu Boden sinken und lag ausgestreckt auf den Planken. Hinter mir rutschte etwas über den Rand des Decks. Ich roch heißes, säuerliches Gestein und den bitteren Rauch, der aus der Tiefe heraufdrang. Weit unter mir hörte ich dumpf ein leises, ununterbrochenes Rumpeln.
    »Da wären wir«, sagte mein Vater und kam mit der Laterne die letzten Stufen herunter.
    Ich hob zitternd den Kopf und drückte mich fester auf die Planken. Ich hörte in der Tiefe ein Grollen wie von einem donnernden Wasserfall. Heiße Winde streichelten mein Gesicht. Ich konnte erkennen, daß wir uns auf einer Art auf dem Kopf liegender Brücke befanden, die von einer hohen Felsendecke herunterhing. Etwas weiter vorn sah ich den breiten Sockel der unterirdischen Klippe unter dem Herrenhaus. Vermutlich führte die Brücke zu ihr hinüber und lief dann am Rand des Abgrunds entlang. Schutz oder ein Versteck gab es dort nicht, dafür aber Felsvorsprünge, an die man sich klammern konnte. Unter der Felsplatte und den Planken gähnte nur noch das Nichts – pechschwarze, brütendheiße Dunkelheit von ungeahnter Tiefe.
    Ich hörte, wie die Laterne abgestellt wurde, und spürte die Schritte meines Vaters auf den Holzbohlen näher kommen. Ich versuchte mich aufzurichten, doch die Muskeln versagten mir den Dienst. Statt dessen knirschte ich vor Furcht mit den Zähnen und wimmerte leise. Entsetzt stellte ich fest, daß ich mein Messer fallengelassen hatte, Brunos Messer. Ich spähte über die Schulter und entdeckte es in zehn Fuß Entfernung genau zwischen meinem Vater und mir. Langsam richtete ich mich auf. Das Messer oder die Klippe? Ich konnte mich nicht entscheiden. Beides, dachte ich wild, und griff mit ausgestreckter Hand nach dem Messer. Mit einer raschen Bewegung ließ mein Vater den Fuß vorschnellen und kickte das Messer in die Leere.
    Meine Furcht verzerrte die Zeit, dehnte sie. Das Messer schimmerte wie ein fallender Stern, ein winziger silberner Fleck, der in den Abgrund der Nacht trudelte, von ihm verschluckt wurde und dann verschwand. Ich fuhr herum, um die Brücke entlangzulaufen, doch nach ein paar Schritten verließ mich der Mut, und ich sank erneut am Boden zusammen. Ich hörte mein Winseln, und meine Brust spannte sich beim Einatmen der Dämpfe von lo. Mein Vater trampelte hinter mir her und zerteilte dabei das Dunkel mit seinem Schwert.
    Er schien sich jetzt langsamer als je zuvor zu bewegen. Mir kam es so vor, als würde er sich überhaupt nicht bewegen. Außer Fortescue, Mr. Cox und Bruno hatte er noch eine ganze Gilde, die auf sein Geheiß hörte. Sicher brachte ihn immer ein Schiff zu seinem Sitz im Parlament oder zu seinem Büro auf der Venus und wieder zurück nach Hause.
    »Ihr kostet wirklich die armen Burschen viel Zeit, ihr Frauen«, knurrte er. »Und der ganze Ärger nur, um zu erledigen, was deine Ma längst mit einer Hutnadel hätte erledigen können.«
    »Meine Mutter liebt mich!« schrie ich ihn an. »Sie ist nicht gegangen!« Konnte er sie nicht dort stehen sehen, dort drüben am Rand der Brücke, ihr Haar wie eine rote Warnflagge im heißen Wind wehend? Wie Jésus in der Kapelle von S. Sébastien auf sein flammendes Herz deutete, zeigte Mama auf das klaffende Loch in ihrem Hals.
    »Ich war alles, was sie hatte«, klagte ich ihn mit einer Stimme an, die ihm das Trommelfell reißen lassen mußte,

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