Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
Vom Netzwerk:
Mücke. Dabei wollte er es nur auseinanderschütteln. »Sprich mit keinem über unsere kleine Unterhaltung«, meinte er, holte eine kleine Horndose aus einer Tasche seiner Weste und öffnete sie. »Ich werde sicher nicht mehr das Vergnügen haben, dich wiederzusehen«, sagte er, und schüttelte Schnupftabak in die Mulde zwischen Daumen und Zeigefinger.
    In meinem dummen Verstand hatte sich ein einziger Gedanke breitgemacht. »Sie kannten meine Mutter, nicht wahr?«
    »Nach Hause, ins Bett mit dir, Mädchen«, sagte er, nun mit Nachdruck. Mit geräuschvollem Schnauben sog Mr. Cox den Schnupftabak die Nasenflügel hoch und bleckte die Zähne. »Der Sturm«, knurrte er spöttisch. »Du weißt doch noch ...«
    Ich rührte mich nicht vom Fleck, obwohl meine Füße mich am liebsten weit weg getragen hätten. Ich wußte, ich hatte bis jetzt Glück gehabt. Ich hatte den Dummkopf gespielt, und er hatte mir das verziehen. Ich hätte wirklich nach Hause laufen sollen, wie er mir geraten hatte. Ich wollte auch von ihm weg, wollte ihn aber nicht gehen lassen.
    Plötzlich merkte ich, daß auch er nervös war. Irgendwie hatte ich ihn erschreckt, und er tat sein Bestes, um es zu verbergen. Ich mußte unbedingt den Grund erfahren.
    Ich stieß meine Hand in seine Richtung. »Wollen Sie mir nichts über meinen Ring erzählen, Sir?« fragte ich mit der einschmeichelnden Stimme eines süßen kleinen Mädchens, das weiß, daß sie süß ist, und darauf baut, daß alles andere wie von selbst folgt.
    Er nahm meine Hand und betrachtete erneut meinen Ring. Dabei schüttelte er langsam den Kopf. Ich war sicher, daß er nach einer Lüge suchte. Er würde mir erzählen, daß der Ring wertloser Straß sei und er sich nur einen Scherz erlaubt hätte.
    Und so trafen sie uns an, Hand in Hand, seine Hand die meine haltend.
    Sie waren zu viert oder fünft und kamen in einer Reihe die Half Moon Street herunter, ohne Hüte, die grellfarbigen Schals locker um die Schultern geworfen.
    »Guten Abend, Euer Gnaden«, riefen sie. »Halten Sie Ausschau nach einem netten Mädchen?«
    Es waren die Hafendirnen, die jeder verachtete, obwohl das Männervolk ihnen immer verstohlene Seitenblicke zuwarf. Ihre Haare waren gelb wie Zitronen-Brause und ihre Lippen knallrot angemalt.
    Die Große namens Rita erreichte uns als erste. Sie packte meine Hand, entriß sie seiner und stieß mich hinter ihren Rücken. Ich protestierte laut, doch sie ignorierte mich einfach und schob sich zwischen ihn und mich, wobei sie mir einen sanften Stoß mit der Hüfte versetzte. »Sie kommen mit mir, Euer Lordschaft. Ich werde dafür sorgen, daß Ihre Spangen richtig schön poliert werden.«
    »Laß ihn in Ruhe, Rita«, rief eine andere. »Siehst du denn nicht, daß der Gentleman Kleine und Dunkle wie mich bevorzugt?« Sie öffnete den Mund zu einem breiten Lachen. Darin befand sich kein einziger Zahn mehr.
    Die Frauen schoben sich zwischen den Gesandten und mich und drängten Rita beiseite. Sie stanken nach Schweiß, nach Gin, Veilchen und dem schwarzen Brei, den auch mein Vater konsumierte. Ich bemerkte, daß sie ihrem Gewerbe alle Ehre machten.
    Die Frauen hatten eine Horde junger Männer im Schlepptau, die nun an der Wand lehnten und wie Punktrichter bei einem Kampf das Geschehen verfolgten.
    Tatsächlich rechnete ich jeden Augenblick mit einem Kampf. Ritas erste Konkurrentin nutzte den Vorteil von Mr. Cox' geringer Größe, fuhr mit ihren Fingern durch seine Locken und versuchte oberhalb des Metallkinns einen Kuß auf seine Wange zu pflanzen. Ich könnte nicht beschwören, daß sie dabei Rita nicht auf die Zehen stieg.
    Mr. Cox warf die Arme hoch, trat fluchend einen Schritt zurück und schüttelte die Frauen ab wie räudige Hunde. Dann hob er drohend seinen Stock. »Hinweg mit euch, ihr Töchter der Verderbnis!« rief er. »Ich kenne eure Verkommenheit.« Voll Ekel wischte er sich über die Ärmel. »Schande, ihr stinkt bis hoch zum Saturn. Verschwindet, oder das Gesetz kommt über euch.«
    So attackiert begannen die Frauen ihn auszujohlen und zu verhöhnen. Nun, da sie seine Einstellung kannten, waren sie plötzlich alle die besten Freundinnen. »Dann laß auch gefälligst die Finger von unseren Kleinen, du Kinderschänder!« rief die kleine Dunkle, obwohl sie offenbar kaum älter war als ich, kam zu mir herüber und packte meine Hand. An diesem Abend griff wohl jeder nach meiner Hand. »Wir bringen dich nach Hause, Herzchen«, verkündete Rita. »Wir werden gut auf dich

Weitere Kostenlose Bücher