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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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hatte meine liebe Not, das Gleichgewicht zu wahren. Und während ich noch darüber nachdachte, stellte ich fest, daß meine Kopfschmerzen fast verschwunden waren, ohne daß es mir aufgefallen wäre.
    »Du weißt doch sicher, daß man im Weltraum leichter ist, Miss Farthing?« meinte Miss Halshaw, während wir den Niedergang zur Brücke hinaufstiegen. »Da ist nicht so viel unter deinen Füßen, um dein Gewicht herunterzuziehen.« Sie sagte das im Brustton der Überzeugung, als ob ihr jemand einmal erzählt habe, daß dies so sei, und sie stolz darauf war, sich noch daran zu erinnern. Ich war mir dieses Eindrucks nicht sicher, konnte mich aber jetzt auch nicht weiter damit beschäftigen. Ich kam mir vor wie eine Traumwandlerin, die gestolpert ist, aber unbeschadet auf ihr Ziel zuschwebt. Und außerdem fragte ich mich, wer Tobias war.
    Vor mir sagte Miss Halshaw: »Wußtest du, daß wir einen blinden Passagier an Bord haben, Darling?«
    Der Mann am Steuerrad wandte den Blick von den Sternen, drehte sich zu mir um und sah mich streng an. Seine seltsamen Augen lagen tief in dem gebräunten, runzligen Gesicht. »Tobias, das ist Miss Sophie Farthing. Sophie – ich hoffe, ich darf dich Sophie nennen –das ist Captain Tobias Estranguaro.«
    Captain Estranguaro war ein ältlicher Faun. Er hob die Augenbrauen und bleckte die Zähne. Sie haben ein sehr gemeines, vulgäres Grinsen, diese Fauns. Ich wich erschrocken einen Schritt zurück – und spürte Miss Halshaws Hand in meinem Rücken.
    »Toby ist Kapitän, Manager, Agent – und mein Freund«, sagte sie bestimmt. »Und auch mein Pilot, weißt du.«
    Manchmal sah man Fauns auf der Werft. Sie kamen mit den Schiffen von Nippur und Caraway. Sie trugen geschlitzte Breeches und hatten die unterschiedlichsten Dinge auf den Schultern ihrer Mäntel verstreut: Fuchspfoten, Kaurimuscheln und ähnliches. Normalerweise trotteten sie rasch dahin, und einmal sprang sogar einer hoch und lief auf unserer Fensterbank entlang, wobei er mich durch das Glas anstarrte. Sie seien eine Bedrohung für jede Frau – so in etwa hatte Papa sich einmal ausgedrückt. Ich verstand ihn nicht. Für mich war in jenen Tagen alles eine Bedrohung.
    Captain Estranguaro war erstaunlich runzlig – wie alle von ihnen. Die spärlich braune Wolle auf seinem Kopf und an seinen Hufen wurde schon langsam grau. Er stank entschieden nach Ziegenbock, obwohl ich damals nicht wußte, daß es so war. Ich hatte noch nie einen Ziegenbock gesehen, geschweige denn gerochen. Zumindest trug er keine Faun-Kleider. Seine Hose war aus glattem Drillich, jedes Bein verjüngte sich fein säuberlich nach unten und war seitlich durch einen Knopf geschlossen. Darüber trug er eine blaue Marine-Bluse mit glatten Messingknöpfen – über einem weiten weißen Leinenhemd – und eine rot weiß gestreifte Krawatte in kräftigen Farben. Zwischen die Stümpfe seiner Hörner hatte er die zerbeulte Offiziersmütze eines Raumfahrers gezwängt. Seine Hörner waren schon vor Jahren abgefeilt worden. In meinen Augen sah das schrecklich aus, wie eine Verstümmelung. Trotzdem mußte ich sie ständig anstarren. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß jemand so etwas freiwillig mit sich machen ließ. Damals wußte ich noch nicht, daß sie das tun mußten, um auf Nippur und Caraway als Zivilisierte zu gelten.
    »Sophie kam in Haven zu uns, Toby«, sagte Miss Halshaw. Nun, wo sie zu jemand aus ihrer gewohnten Zuhörerschaft sprach, konnte ich die Musik in ihrer Stimme hören. »Infolge eines Irrtums. Sie sagt, sie wollte eigentlich Mr. Cox folgen. Leider hat sie dabei etwas die Richtung verloren.«
    Ich schaute über die muskulöse Schulter des Captain hinweg durch die Wölbung der Glaskuppel und fragte mich, wie jemand genau sagen konnte, wo wir uns befanden und wohin wir fuhren. Der Raum beraubt einen jedes Richtungsempfindens außer dem nach unten; und auch dieses ist nicht immer sicher.
    »Mr. Cox hat Kurs auf Jupiter genommen, so viel ich weiß«, sagte Captain Estranguaro. Seine Stimme klang geschwollen, träge und von sich selbst eingenommen. »Es stand in der Zeitung.«
    »Wer ist er?« fragte ich ihn und war selbst überrascht, mich mit einem Faun reden zu hören. »Wer ist Mr. Cox?«
    »Er arbeitet für den einen oder anderen Lord«, antwortete der Captain. »Außerdem repräsentiert dieser Mr. Cox die Pilotenzunft«, erklärte Estranguaro. Über uns stiegen Matrosen in die Wanten. Ein Segel löste sich in einer langsamen, sanften Welle vom Mast,

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