Sophies Kurs
Plattform neben dem Schiff standen Männer und schoben Kisten durch die Leere. Einer lehnte schräg an einem Dollbord und saugte an seiner kalten Pfeife. Sicher der Bootsmann, er mußte es sein.
Ich schlenderte vom Ballon zu ihm hinüber und salutierte vor ihm. Dabei legte ich meinen Helm an seinen und fragte: »Braucht Seine Ehren vielleicht einen Schiffsjungen, Sir?«
»Nein«, sagte der Mann, ohne die Pfeife aus dem Mund zu nehmen.
»Ich kann alles fein in Ordnung halten, Sir. Ich tue auch alles, was der Herr verlangt. Ich bin flink, Sir.«
»Dann mach, daß du flink nach Hause kommst«, knurrte er. Dabei scheuchte er mich mit dem Handrücken weg und grub die Zähne tiefer in das Mundstück der Pfeife. Sie waren lang und gerade, seine Zähne, und hatten die Farbe von Schuhleder.
Ich wußte nicht mehr, was ich tun oder sagen sollte. Hilfesuchend sah ich mich um. Da war ein Schuppen, in dessen Tür ein Mann in einem Gabardine-Anzug lehnte und mir dabei den Rücken zuwandte. Ein paar Mannschaftsmitglieder sprachen mit einem weiteren Mann in einem speckigen schwarzen Mantel. Ich klopfte an die Tür, doch niemand hörte mich. Ich drehte mich um und ging zu dem Bootsmann zurück. Vor ihm vollführte ich eine seltsam schwerelose Verbeugung und sagte: »Verzeihung, Sir, aber ich muß unbedingt den Herrn sprechen. Bitte, Sir.«
Der Bootsmann verzog das Gesicht, öffnete weit die Tür und stieß mich in den Schuppen. Drinnen zischte laut eine Sauerstoffpumpe. Der Bootsmann öffnete seinen Helm und hob die Stimme. »Mr. Cox, Sir. Der junge Mann hier möchte Sie sprechen.«
Der Mann im Gabardine-Anzug stand auf und drehte sich um. Ich erkannte das Kinn, die Perücke. Die Augen.
»Fragt, ob Sie vielleicht 'nen Schiffsjungen brauchen«, erklärte der Bootsmann ungerührt.
Mr. Cox starrte mich an. Ich salutierte und hielt den Atem an.
»Wie heißt du, Bursche?«
»Ben, Sir. Ben Rodney.«
Er ließ keinen Blick von mir. »Was kann er, Mr. Gilbert«, fragte er den Bootsmann.
»Ein Loblied auf sich singen, Sir.«
»Das kannst du, Ben?« fragte Mr. Cox.
Ich hatte vergessen, wie sanft seine Stimme klang, und wie hübsch. Wieder salutierte ich. »Jawohl, Sir.«
»Das ist aber eine eitle Beschäftigung, nicht wahr?« Er wandte sich von mir ab, ohne auf eine Antwort zu warten. »Du wirst nie mehr eitel sein, Ben Rodney. Und nun mach, daß du an Bord kommst.«
Ich stand da wie angewurzelt und starrte auf seinen Gabardinerücken. Dann sah ich den Bootsmann an, die großartige Yacht.
»Jawohl, Sir. Danke, Sir!« rief ich. Mein Herz klopfte zum Zerspringen, am liebsten hätte ich laut aufgejubelt. Sie segelten zum Jupiter, und ich würde in den nächsten Wochen immer in der Nähe von Mr. Cox sein. Ich würde alles herausfinden, was es zu wissen gab. Ich gratulierte mir im stillen zu meinem dreisten Plan und begab mich an Bord der
Unco Stratagem.
KAPITEL XI
Hinaus in die Asteroidensee
Die Kabine von Mr. Cox war natürlich die schönste an Bord. Sie lag ganz achtern und war so breit wie die
Unco Stratagem.
Ringsum an den Wänden Bücherregale bis zur Decke. Ein Tisch, ein Schreibtisch mit Hunderten von Schubladen, drei braune Ledersessel mit messingbesetzten Lehnen und ein richtiges Bett vervollständigten die Einrichtung. Sogar eine Couch gab es, extra angefertigt, damit sie zwischen die Regale paßte. Auf einem Tisch hinter der Tür stand ein Puppentheater, dazu gab es ein Teleskop und eine Perückenablage, außerdem eine geschnitzte Büste von Mercator, die der Gilde gehörte und ach ja, ein Dutzend Gemälde. Ich erinnere mich an eins mit zwei toten Fasanen und an ein anderes sehr schönes Bild aus Deutschland, das die Berge von Io mit grasenden Steinböcken zeigte. All diese wunderbaren Dinge waren mein – zum Staubwischen. Das größte Bild in der Kabine stellte so etwas wie einen Harem dar. Es zeigte fünf Frauen, Menschenfrauen, glaube ich, und einen zottigen schwarzen Mann. Alle ruhten auf Liegen um einen Brunnen in einem von hohen Mauern umgebenen Innenhof. Eine der Frauen trug ein hauchdünnes weißrotgoldenes Kleid und einen messingfarbenen Hut auf dem Kopf. Ihre Hand lag auf einer dünnen Wasserpfeife. Eine andere Frau trug nur einen Rock und Sandalen. Sie saß im Vordergrund auf dem Brunnenrand mit dem Rücken zum Künstler. »Ist dieser Rücken nicht einfach bewundernswert, junger Ben?« fragte mich Mr. Cox einmal. »Muß man sich da nicht einfach wünschen, sie möchte sich - herumdrehen?«
Wenn die
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