Sophies Kurs
dämpfen, Ben?« Eine große Glasbirne in der Rückseite der Bühne verbreitete ein schwaches gelbliches Licht – wie eine Glut, die flackert, aber niemals niederbrennt. Dieses Gerät stammte aus Lord Lichworthys Besitz, hatte mir Mr. Lismoyle verraten, doch das Theater gehörte Mr. Cox.
Er machte alles selbst, all die verschiedenen Stimmen, die Geräusche des Windes, der Jagdhörner und so fort, und wirbelte gekonnt die einzelnen Charaktere durcheinander. Gern hätte er einen aus der Mannschaft mit seiner Mundharmonika dabeigehabt, doch sie verachteten ihn und hatten stets andere wichtige Dinge zu erledigen. »Soll er sich doch Löcher in sein Kinn bohren und darauf pfeifen«, sagte Pete Chalk, als ich die Sache einmal erwähnte.
Außer
Der gejagte Wegelagerer
hatte Mr. Cox noch weitere Stücke auf Lager. Ein anderes hieß
Grigoris Rache
und erzählte eine Geschichte aus dem alten Rußland. Doch im Grunde waren sie alle gleich. Jemand glaubte, seine Geliebte habe ihn betrogen, und forderte den Nebenbuhler zum Duell. Die Stoffpüppchen schwangen dann auch tatsächlich eifrig ihre Nadelschwerter.
Neben mir ertrug Captain Thrace mit steinernem Gesicht die Vorstellung. Er war nur hier, um Mr. Cox bei Laune zu halten, und hielt das Ganze nur für alberne Zeitverschwendung. Er hatte sichtlich keinen Spaß an dem Spiel und schnaubte gelegentlich leicht irritiert.
Mr. Crii dagegen war hell begeistert. Er drehte sich zu uns um und zeigte zur Bühne.
»Kleine Männ-n-er!«
summte er, als sei das ein köstlicher Spaß. Ich nickte ihm zu und verfolgte das Spiel. Mir gefiel es, denn ich war ja noch nicht lange aus dem Kindesalter heraus.
Doch an diesem Abend wurde die Vorstellung gestört. Craig Trott klopfte an die Tür. »Terra-Schiff, Sir.«
Mr. Cox erstarrte zur Statue. In der einen Hand hielt er den Räuber, in der anderen den Verfolger. »Was für ein Schiff?«
»Fremde Fregatte, Sir.«
Das Theaterpublikum sprang auf und eilte auf die Brücke.
Fillmore
hatte inzwischen an Größe zugenommen, und die Mannschaft war damit beschäftigt, vor der Wende die Segel einzuholen. Mr. Gilbert pfiff das Signal: »Kapitän auf der Brücke.«
Wir alle starrten auf das Schiff, das in Richtung Erde im Raum hing. Seine Segel schimmerten im kalten Sonnenlicht.
»Französisch, nach den Aufbauten zu urteilen«, brummte Captain Thrace und sah durch sein Teleskop. »Unter vollem Tuch für schnelle Fahrt.«
Jetzt sah jeder zu Mr. Cox hinüber.
Er hatte Craig Tott nach den Signalflaggen geschickt und ihn eine Anfrage übermitteln lassen. Jetzt kam die Antwort herein. Das andere Schiff war die
Jeanne Lehameau,
eine französische Fregatte, die nach Ys zurückbeordert worden war. Seine Exzellenz der Kaiser vom Mars war tot.
Ich drehte mich nach Mr. Crii um – und entdeckte ihn oben auf dem mittleren Mast. Er hatte seine großen Flügel in die Nacht gebreitet.
Mr. Crane läutete die Glocke und rief: »Alle Mann an Deck! Alle Mann an Deck!«
Auch Captain Thrace erteilte Befehle. »Sprietsegel einholen, aber Tempo! Ich will eine schnelle Wende!« Seine Stimme klang streng.
Mr. Simmonds wedelte eifrig mit den Signalflaggen, um die Befehle an die Mannschaft zu übermitteln. Bereithalten zur Wende, signalisierte er. Kurze Wende! Hauptsegel an den Mast legen!
Verwirrt hielt ich mich im Hintergrund. Der Kaiser vom Mars war gestorben, und jetzt ging es hier drunter und drüber. Was hatte das denn mit uns zu tun? Soweit ich wußte, war Mr. Crii doch der einzige Marsianer an Bord.
Craig Trott eilte an mir vorbei zu den Flaggenkästen. »Wohin segeln wir, Craig?«
»Zum Mars, Ben.«
»Wozu?«
»Um ihm die letzte Ehre zu erweisen.«
KAPITEL XII
Dem Teufel eine schmieren
Papa erzählte niemals etwas Gutes über den Mars. Marsianer, so sagte er, leben in Löchern im Boden. Ich erinnere mich, daß Kappi einmal lavendelfarben vor Ärger wurde und ihm antwortete: »Aber sie haben auch große Paläste.« Worauf Papa ihm entgegenhielt, daß sie wohl kaum Paläste hätten, wenn wir, sprich: die menschliche Rasse, ihnen nicht gezeigt hätten, wie sie gebaut wurden. Die Marsianer seien Kannibalen, behauptete er, selbst die Orientalen. »Und die Wüstenstämme sind durch und durch Wilde. Sobald sie einen Menschen allein treffen, machen sie durch die ganze Wüste Jagd auf ihn. Sie können, ohne zu ermüden, hundert Meilen weit laufen. Und wenn sie einen fangen, Sophie, schlitzen sie ihm bei lebendigem Leib den Bauch auf und reißen ihm die Leber
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