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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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und das Gedärme heraus. O ja, die Leber ist das erste, das sie fressen. Danach rösten sie dich über kleinem Feuer und veranstalten ein Freudenfest.«
    Mars sah aus wie ein Witz – wie ein Ball aus orangefarbenem Gestein, in das jemand Rillen geschnitten hat – und hing im Raum, als wolle er die arme alte Erde verspotten. Um den Hohn auf die Spitze zu treiben, waren ihm zwei kleine rotierende Monde beigegeben worden.
    Der Befehl lautete, nicht an irgendeiner Raumplattform anzudocken, sondern bei einem der Monde auf Reede zu gehen und von dort in die Hügel des Roten Planeten hinunterzusteigen. Von dort draußen sah er eher goldbraun aus und war gefleckt mit großen schmutziggelben Puderwolken. Mr. Lismoyle sagte, es seien Sandstürme, die durch die Wüste fegten. Er zeigte mir die Kanäle, dünn wie die Fäden aus einer Spindel. Als uns die Coriolis-Beschleunigung packte, begann der Planet schwindelerregend zu wirbeln und sog uns wie ein Streichholz in einem Strudel herunter. Mit Wimpeln und flatternder Nationalflagge schossen wir in die Atmosphäre hinab.
    Ich nahm den Helm ab und rückte meine Mütze zurecht. Jetzt konnte ich die Männer an den Flaggleinen singen hören:
    Unser Captain ist ein standfester Mann, Hi, Boys, hi,
    Er trinkt seinen Grog aus der Wasserkann', Bei der Fahrt durch den Golf von Mercury.
    Mr. Simmonds hatte sechs Mann befohlen, die Decks und Masten mit Salzlösung abzuschrubben. Der Schreiber der Gilde hatte den Schiffsnamen in Goldfarbe nachgezogen, und der Union Jack hing zum Zeichen der Trauer auf Halbmast. Am Horn der Galionsfigur flatterte ein Trauerflor. Durch das Glas sah ich Mr. Crii mit seinem Reif auf dem Kopf auf der Brücke hocken und die letzten Feinvektoren bestimmen.
    Als die Segel fielen und wir tiefer und tiefer sanken, wurden die ersten Anzeichen von Zivilisation sichtbar, die rechteckigen Würfel von Gebäuden, die sich in die Täler duckten. Immer mehr Kanäle überzogen den Planeten mit einem löchrigen grünen Netz, und die Schiffe in diesen Wasserstraßen sahen aus wie Kleckse aus einer Tintenfeder. Wir kamen von Süden über die frostigen Ebenen herein. Ys liegt in einem tiefen Tal am Äquator – ein Labyrinth aus rötlichem Sandstein mit einer Spur Grün da und dort. Die Stadt besaß nicht das majestätische Durcheinander von London, sondern die Straßen verliefen schnurgerade und parallel oder rechtwinklig zueinander, als habe jemand die Linien mit einem Rechen in den Sandboden gezogen. Wir schwebten über die Außenbezirke, über spitz zulaufende Häuser aus rosa Backstein, über die Kakteenalleen entlang des Kanals, sanken tiefer und tiefer, bis die Stadt unser Blickfeld ausfüllte. Ein hoher Obsidian-Turm überragte alle übrigen Gebäude und präsentierte sich den anderen Welten wie der Griff eines Schwertes, das jemand mitten in die Brust der Stadt gestoßen hat.
    »Was ist das, Sir?« fragte ich und deutete darauf.
    »Das ist die Kathedrale, Ben«, klärte Mr. Lismoyle mich auf. »Der Schwarze Brunnen.«
    »Ist das der Platz, wo sie den König begraben, Sir?« »Seine Kaiserliche Hoheit, Ben. Ja, dort wartet sein Grab auf ihn.«
    Mr. Lismoyles Miene war grimmig. »Es ist ein ekliger Platz, Ben, wirklich ein abscheulicher Ort.«
    Mißtrauisch starrte ich auf den Turm tief unter uns. Es war ein monströses Gebilde, zu hoch, zu dünn, und ohne jegliche Symmetrie in seiner Form. Als wir darüber hinwegflogen, glaubte ich winzige Wesen darauf herumkriechen zu sehen. Wie konnte ihr Kaiser unter solch einem schrecklichen Dach ruhen?
    »Du kannst allen Himmeln danken, daß du dir das Gebäude nicht genauer ansehen mußt, Ben.«
    Im Hafen waren schon viele große Schiffe eingetroffen. Da war die H.M.S.
Bravo,
die Lord Cymbeline von Callisto hierhergebracht hatte, dann eine Caravelle namens
Hippocampe,
die dem Comte de Perles gehörte, die
Santa Veronica,
eine Galeone mit der Hälfte der Geistlichkeit aus Rom an Bord, und weiter drüben schwebte gerade langsam und würdevoll das historische Raumschiff
Sweet Peg o' Richmond
herein und fegte mit ihren ehrwürdigen Vorsegeln den Sandboden des Mars.
    »Peg! Die schöne Peg!« riefen die Männer, und wir ließen das Schiff dreimal im Chor hochleben. Das war auch der Augenblick, in dem ich zum ersten Mal einen Schwarm Engel erblickte. Langsam kreisten sie hoch in der Luft und stoben auseinander, sobald ein Schiff an ihnen vorbeiflog.
    Mr. Crii zeigte kein Interesse für das Andockmanöver, sondern hockte mürrisch auf dem

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