Sophies Kurs
Boden und knackte mit den Fingern Walnüsse. Ich hatte vermutet, daß wir irgendwie auch aus Rücksicht auf ihn hierhergeflogen waren, doch Mr. Lismoyle sagte, der Marsianer würde nicht zur Beerdigung gehen. Keiner außer Mr. Cox würde daran teilnehmen, der den abwesenden Hochmeister der Piloten häufig bei solchen Anlässen vertrat. Mr. Crii flog nach Hause, denn seine Arbeit war getan.
Der Marsianer schwang sich auf die Heckreling und breitete seine enormen Schwingen aus. Er bog sie und schwang sie heftig auf und ab. Er lebte im Osten hinter den verschlungenen Canyons und hatte einen weiten Weg vor sich. Ich versuchte, den heftigen Luftwirbeln auszuweichen, die er mit seinen Flügeln erzeugte, aber er sah mich und rief mich zu sich. Ich sollte ihm die mächtigen Schultern massieren und dadurch seine Gelenke geschmeidiger machen. Seine Hitze und sein Gestank hüllten mich ein. Es war, als sollte ich einen Adler von der Größe eines Kutschpferdes striegeln.
Der Captain erlöste mich schließlich von dieser ekligen Pflicht. Er wechselte ein paar Worte mit Mr. Crii und händigte ihm seine Heuer aus. Der Engel wandte nicht einmal mehr den Kopf, um mir oder den anderen Lebewohl zu sagen, sondern erhob sich in die Luft und stieg so rasch und steil auf, als freue er sich darüber, das Schiff endlich verlassen zu können. Ich sah einige Wesen aus dem kreisenden Schwarm auf ihn zufliegen, als wollten sie ihn grüßen oder ihn aufhalten, aber dann drehten sie ab und ließen ihn passieren. Ich lächelte, denn zumindest hatte ich ihn nun einmal wirklich in der Luft, seinem wahren Element, gesehen.
Dort gefiel er mir auch wesentlich besser als von Angesicht zu Angesicht.
Als ich meinen Blick wieder zum Deck wandte, schien jedermann in meiner Nähe plötzlich größer geworden zu sein. In diesen Breiten herrschte jetzt der Winter. Die trockene Luft war kalt, roch nach Rauch und leicht nach Rost. Ich trug den alten Mantel und meine Mütze. Mein Helm blieb an seinem Haken. Der Maat hatte mir versprochen, daß die Männer sich um mich kümmern und mir bei der Suche nach einem Quartier helfen würden. Ich hatte plötzlich den berauschenden Einfall gehabt, erneut meine Kleidung zu tauschen und in den Straßen einer fremden Stadt unterzutauchen: Ich würde eine Marsianerin werden, und meine ganze fadenscheinige Geschichte würde von mir abgleiten wie ein verblassender Traum. Doch plötzlich legte sich eine Hand schwer auf meine Schulter. Hinter mir stand Mr. Cox. »Du kommst mit, Ben«, sagte er.
Ich tippte an meine Mütze und folgte ihm.
Die Hafenbüros waren überfüllt mit gerade angekommenen Besuchern. Der Diensthabende war nicht aufzutreiben, und die jüngeren Hafenangestellten rannten wild durcheinander und schrieen sich an. Die Menge schwenkte mal in diese, dann wieder in jene Richtung und lief hinter jeder Uniform her, der sie ansichtig wurde.
Im Büro der Gilde war die Lage nicht besser; es gab keine Transportmittel, weil sie alle schon von anderen besetzt waren. Der hiesige Offizielle konnte sich nicht verständlich machen. Er salutierte fortwährend und wiederholte ständig ein paar Worte in Französisch, bis Mr. Crane laut zu fluchen begann, durch die Tür nach draußen stapfte und in der Menge verschwand. Wenig später übertönte sein lautes Organ die anderen Rufer. Und um das Durcheinander komplett zu machen, schwang irgendeiner ununterbrochen eine Glocke.
Mr. Cox hieb ungeduldig seinen Stock auf die Flie sen. »Besorg uns um Himmels willen eine Kutsche, Ben«, brummte er und schickte mich hinaus.
Leichtfüßig lief ich zwischen den Ständen eines Marktes hindurch. Auch hier herrschte ein ähnliches Durcheinander: Stoffschuhe neben Geräuchertem, Kleider neben Tonschalen voller Gemüse, das man zu Bällchen gepreßt hatte.
Ich schrie erschrocken auf, als ich ein paar Ophiq in einem Käfig entdeckte. Die kümmerlichen, violetten und grünen Gestalten pfiffen nicht einmal, sondern hockten nur apathisch herum. Ich blieb stehen, um sie durch die Gitterstäbe hindurch zu berühren, doch Mr. Cox war mir gefolgt und winkte mich ungeduldig voran.
Wohin ich auch sah – überall Marsianer. Sie schlenderten zwischen den Ständen herum, schoben Karren oder unterhielten sich in kleinen Gruppen, wedelten mit den Ohren und bewegten gestenreich ihre Ellbogen. Sie hatten nur geringe Ähnlichkeit mit ihrem Artgenossen aus meinem ABC (›Der Marsianer schürft für uns Gold‹), der mit Spitzhacke und Eimer bewaffnet gewesen
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