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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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»Mr. Crii, Sir?«
    »Stör ihn nicht, Ben!« wies Mr. Lismoyle mich scharf zurecht.
    Mr. Crii verharrte wortlos in seiner Stellung, während das Schiff langsam abdrehte. Er würde noch Stunden so dasitzen. Ich konnte mir nicht erklären, warum er mich mitgenommen hatte. Auf mich wartete viel Arbeit, ich mußte Taue spleißen und den Zierrat polieren. Ich erhob mich vom Deck und schlich mich, als er nicht darauf reagierte, leise davon.
    Beim Abendessen sprachen die Männer über einen riesigen Oktopus, den einer von ihnen gesichtet haben wollte. Er sei lautlos wie ein grauer Ballon im Raum an uns vorbeigetrieben. Alle waren sofort bereit, die Geschichte zu glauben. In der nächsten Minute schon wollte auch ein anderer ihn gesehen haben. Zum Schluß hatten ihn alle gesehen. »Er sah aus wie ein Felsen - bis ich sah, daß seine Fangarme sich bewegten«, meinte Mr. Chalk. »Er war ganz grau und völlig verkrustet.«
    Der Schreiber würde sicher ein Bild davon zeichnen - für das Logbuch.
    Die Offiziere hatten ihre eigene Runde. Als ich am Tisch des Captains den Port einschenkte, meinte Mr. Crane zu mir: »Nimmst du eigentlich nie deine Mütze ab, junger Ben?«
    Ich antwortete nichts darauf und füllte sorgfältig sein Glas.
    »Nicht mal in der Kirche?« Mr. Crane blieb hartnäckig.
    Ich schüttelte den Kopf. »Bin nie in der Kirche gewesen, Sir«, erwiderte ich, während ich versuchte, meiner Stimme wie immer, wenn alle zuhörten, einen tieferen Klang zu geben.
    Captain Thrace schälte einen venusianischen Perlapfel. »Unser junger Freund hier fragte mich vorhin, h-hr'rm, warum alle Planeten weiblich sind.«
    Ich war dankbar, daß er das Thema wechselte. »Venus war eine Dame, Sir«, sagte ich und dachte dabei an die Bilder, die Kappi mir im Ovid gezeigt hatte. »Doch Jupiter und Mars waren Gentlemen.«
    Captain Thrace lehnte sich zurück. »Nun, meine Herren, sollen wir ihn aufklären?«
    Mr. Lismoyle musterte mich, während ich seine Tasse füllte, und spitzte die Lippen, sagte aber nichts. Mr. Crane tupfte sich gerade mit der Serviette den Mund ab. »Planeten sind voller Mysterien, Ben«, verkündete er. »Nicht mal zwei sind gleich. Ihre Berge sind schön, ihre Höhlen tief und geheimnisvoll.«
    »Oho«, krächzte jemand.
    Mr. Cox nahm gerade einen Schluck aus seiner Tasse. Er setzte sie ab und wandte sich an Mr. Crane. »Die Körper, über die Ihr gerade redet, sind doch wirklich himmlisch, nicht wahr?«
    Alle kicherten verhalten.
    Ich senkte den Kopf, sagte nichts mehr außer ›Danke, Sir‹ und ging so schnell ich konnte an meinen Platz zurück. Ich war rot vor Verlegenheit, fühlte mich aber auch gebauchpinselt von ihren Vorstellungen. Ich wußte von den Figuren, die Mungo McGowan aus Holz schnitzte und heimlich reihum gehen ließ. Die Puppen von Mr. Cox riefen nie solches Entzücken und Gekicher hervor. Die Vorstellungen der Mannschaft über das weibliche Geschlecht waren merkwürdig und nicht gerade schmeichelhaft. Die Männer machten da einen seltsamen Unterschied zwischen den Frauen, die je nach Laune Heiterkeit und Trübsinn auslösten, und den Ehefrauen, die alle durch die Bank weg miesepetrig waren, eine Last und Geißel für die ganze Männerwelt. Mich störte das nicht. Mama und ich waren inmitten ihrer Illusionen sicher aufgehoben.
    Der Abwasch nach dem Abendessen dauerte länger als gewöhnlich. Ich war spät dran und mußte mich beeilen, um noch rechtzeitig zu Mr. Cox' Show zu kommen. Durch die Bullaugen sah ich, daß wir mit guter Fahrt die
Schwestern von Rhea
durchfuhren. Überall hing der Himmel voller Sterne. Dort an Steuerbord lag wie eine Erdnuß von einer Meile Länge
Fillmore.
Etwas weiter entfernt schimmerte
Calliope,
wo Sir Marmaduke Carmichael Ländereien und einen Palast aus Stahl hatte.
    Ich klopfte an die Kabinentür von Mr. Cox und trat ein. Die anderen hatten sich schon eingefunden. Captain Thrace saß auf dem Sofa, Mr. Crii hockte wie gewöhnlich auf dem Boden. Die Puppenbühne war näher zum Sofa gerückt worden, und Mr. Cox machte sich eifrig dahinter zu schaffen.
    »Ich bitte um Verzeihung, Sir«, sagte ich außer Atem und setzte mich zu Captain Thrace.
    Die Puppenbühne in herrlichen Purpur- und Goldfarben war fast so groß wie ich. Die Szenenbilder waren auf echte Leinwand aufgemalt und konnten mit Hilfe von seitlich angebrachten Kurbeln aufgerollt und heruntergelassen werden. Die Vorhänge aus dünnem Samt liefen oben und unten über winzige Ketten.
    »Würdest du das Licht

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