Sorge dich nicht - lebe
Gang vor der Tür auf und ab lief oder hinausstürzte und um den Block rannte. Dann, nachdem ich eine Menge kostbare Zeit verloren und mich gezwungen hatte, meinen Mut zusammenzuraffen, um hineinzugehen, drehte ich mit zitternder Hand am Türknopf und hoffte halb, dass mein Kunde nicht da sei.
Der Verkaufsleiter drohte mit der Sperrung meines Vorschusses, wenn ich nicht mehr Aufträge einschickte. Meine Frau bat mich um Geld, um die Lebensmittel für uns und unsere drei Kinder bezahlen zu können. Meine Sorgen wurden immer größer. Meine Verzweiflung wuchs von Tag zu Tag. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Wie ich schon erzählte, hatte ich meine Kanzlei aufgegeben. Jetzt war ich pleite. Ich konnte nicht einmal meine Hotelrechnung bezahlen, noch besaß ich das Geld für die Fahrkarte nach Hause. Außerdem hatte ich nicht den Mut, als geschlagener Mann zu meiner Familie zurückzukommen, selbst wenn ich das Geld für die Fahrkarte gehabt hätte. Nach einem besonders schlimmen Tag trottete ich einmal wieder mutlos zu meinem Hotel zurück – zum letzten Mal, dachte ich. Was mich betraf, so war ich am Ende. Deprimiert, erledigt. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Es war mir gleichgültig, ob ich lebte oder starb. Ich bedauerte, je geboren worden zu sein. An jenem Abend trank ich nur ein Glas heiße Milch, und das war eigentlich auch schon mehr, als ich mir leisten konnte. Damals begriff ich, warum verzweifelte Menschen das Fenster ihres Hotelzimmers öffnen und hinunterspringen. Wenn ich genug Mut gehabt hätte, würde ich es vielleicht auch getan haben. Ich fing an, über den Sinn des Lebens nachzugrübeln. Aber auch das brachte mich nicht weiter.
Da sonst niemand da war, wandte ich mich an Gott. Ich begann zu beten. Ich flehte den Allmächtigen an, mir Licht und Verständnis und Führung zu geben durch das dunkle, dichte Gestrüpp meiner immer größer werdenden Verzweiflung. Ich bat Gott, mir bei meinen Aufträgen zu helfen und mir Geld zu geben, damit ich meine Frau und die Kinder ernähren konnte. Nach jenem Gebet öffnete ich die Augen und sah auf dem Ankleidetisch des leeren Hotelzimmers eine Gideon-Bibel liegen. Ich schlug sie auf und las jene herrlichen, unsterblichen Verheißungen von Jesus, die schon unzählige Generationen von einsamen, verängstigten und hoffnungslosen Menschen zu allen Zeiten aufgerichtet haben müssen – jene Stelle der Bergpredigt, wo Jesus zu seinen Jüngern davon spricht, dass sie sich keine Sorgen machen sollen:
‹Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht für euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr denn die Speise? Und der Leib mehr denn die Kleidung?
Sehet die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nähret sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie?
… Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.›
Während ich betete und jene Worte las, geschah ein Wunder: Alle Nervosität und Spannung fiel von mir ab. Meine Angst, meine Sorgen verwandelten sich in ein warmes Gefühl des Mutes, der Hoffnung und der Zuversicht.
Ich war glücklich, obwohl ich nicht einmal genug Geld besaß, um die Hotelrechnung zu bezahlen. Ich ging zu Bett und schlief tief – frei von allen Sorgen –, wie ich seit Jahren nicht mehr geschlafen hatte.
Am nächsten Vormittag konnte ich es kaum erwarten, zu meinen Kunden zu kommen. Mit kühnen, energischen Schritten ging ich an jenem schönen, kalten Regentag zum Büro meines ersten Interessenten. Gelassen drehte ich am Türgriff. Dann trat ich ein und ging mit erhobenem Kinn, einem freundlichen Lächeln und der passenden würdevollen Haltung energisch auf meinen Mann zu und sagte: ‹Guten Morgen, Mr.Smith! Ich bin John R. Anthony und komme von der All-American-Lawbook-Gesellschaft!›
‹Ach ja, natürlich›, antwortete er, ebenfalls lächelnd, stand auf und streckte mir die Hand hin. ‹Ich freue mich, Sie zu sehen. Bitte, nehmen Sie Platz!›
An diesem Tag machte ich mehr Abschlüsse als in Wochen. Am Abend kehrte ich wie ein Sieger und Held ins Hotel zurück. Ich fühlte mich wie neugeboren. Und das war ich auch, denn ich hatte eine neue und positive Einstellung zum Leben. Und zum Abendessen gab es nicht etwa nur heiße Milch! O nein, ich bestellte mir ein Steak mit allem Drum und Dran. Von da an schnellten die Zahlen meiner
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