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Sorry, Ihr Hotel ist abgebrannt

Titel: Sorry, Ihr Hotel ist abgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Blinda
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Möglichkeit: Am neugebauten Bahnhof von Khajuraho stellten wir uns in der enorm langen Schlange für Fahrkarten in der »Viehklasse« an – das sind spartanisch eingerichtete Waggons mit Holzbänken, in denen sich die Fahrgäste wie Sardinen in der Büchse nebeneinanderquetschen.
    Zunächst gab es zwei Schlangen, eine für Männer, eine für Frauen. Doch dann machte der Mitarbeiter am Frauen-Schalter Feierabend, und es entstand ein unglaubliches Gedränge. Pro Woche fahren nur zwei Züge nach Delhi, entsprechend groß war die Angst der Leute, beim Ticket-Verkauf leer auszugehen. Verzweifelt drängelten sie sich zu der Scheibe und drückten Banknoten durch die Öffnung. Ein Polizist prügelte mit einem Stock auf Menschen ein, die sich zu dreist vorgedrängelt hatten.
    Schließlich waren wir an der Reihe, für 270 Rupien (etwa 4,50 Euro) kauften wir zwei Tickets für die 600-Kilometer-Fahrt, kein schlechter Preis. Am Bahnsteig trafen wir zwei Touristen aus Polen und Frankreich, die ebenfalls nur Karten für die schlechteste Klasse ergattert hatten. Sie waren Bahnfahr-Profis und erklärten, dass es möglich sei, sich ins Schlafabteil einzuschleichen und dort andere Fahrgäste zu bitten, ob man auf dem Boden zwischen den Liegen schlafen könne. Wir gingen also in einen der Großraum-Schlafwagen und freundeten uns mit einer indischen Familie an, die uns erlaubte, bei ihr zu sitzen.
    Wir waren nicht die einzigen zusätzlichen Gäste in dem Waggon, an die hundert Passagiere drängelten sich in Gang und Türbereich, um nicht in der Holzklasse fahren zu müssen.
    Um 18 Uhr schließlich rumpelte der Zug langsam aus dem Bahnhof heraus.
    Bald begannen unsere neuen Freunde, ihre Sitze herunterzuklappen – aus je vier Sitzplätzen wurde eine Schlafgelegenheit. Jack hatte in einer Ecke noch eine Liege erspäht, die niemandem zu gehören schien. Also beschlossen wir, die etwa 1,80 Meter mal 60 Zentimeter gemeinsam zu nutzen, Kopf an Fuß. Da kriegt man jede Bewegung des anderen mit, und nicht nur das: Jacks Füße rochen nicht besonders gut. Die Neonlampen waren immer noch an, und es schien so, als hätte sich die Mehrzahl der Fahrgäste entschlossen, bis spät in die Nacht zu reden.
    Richtig unangenehm wurde es, als mein Magen zu rumoren begann. Das erlebt man in Indien häufig, meistens hat man am nächsten Tag Durchfall. Diesmal dauerte das leider nicht so lange, ich brauchte dringend ein Klo. Der Weg dorthin war von einem Teppich aus Menschen versperrt, mit der Zeit waren immer mehr zugestiegen. Wie ein Affe hangelte ich mich an den Metallträgern entlang, an denen die Liegen befestigt sind. Nur manchmal fand mein Fuß Platz auf dem Boden zwischen diversen Köpfen und Gliedmaßen. Die Anstrengungen einer solchen Klettertour sind nicht unbedingt förderlich, wenn man krampfhaft versucht, seine Verdauung zu bändigen, damit nicht unterwegs eine Katastrophe passiert.
    An die Klotür hatte sich eine ganze Familie gelehnt und döste vor sich hin. Nur zögernd ließen sie mich passieren, doch die Freude darüber währte nur kurz: In dem Örtchen kam mir unmittelbar eine Szene aus dem Film »Trainspotting« in den Sinn, wo Ewan McGregor durch »Schottlands schlimmste Toilette« tauchen muss, um ein Paket voller Drogen zu retten. Das Loch im Boden vor mir hätte gewiss die Bezeichnung »schlimmste Toilette der Welt« verdient. Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber Gestank und Dreck waren unerträglich, und es gab weder Klopapier noch Seife. Ich beschloss, doch nicht so dringend zu müssen, obwohl jede Erschütterung des Zuges mein Problem bestätigte.
    Ich mühte mich zurück zu meinem Platz, schluckte zwei Imodium und kletterte wieder zu Jack auf die Liege. Seine Gesichtsfarbe war ein milchiges Grün, auch ihm war hundeelend. Das musste an den Lassis liegen, die wir in der Stadt getrunken hatten. Ich hatte nur einen Schluck genommen und direkt gemerkt, dass der ungenießbar war, doch Jack hatte heldenhaft noch das halbe Glas geleert, bevor auch er aufgab. Das rächte sich jetzt.
    Als wir um 4 Uhr morgens Agra erreichten, hatten wir noch keine Minute geschlafen. Ein zugestiegener Mann kam auf uns zu und wedelte mit seinem Ticket: Wir lagen auf seiner Schlaf-liege. Doch anstatt uns zu verscheuchen, bot er an, uns den Platz für 600 Rupien (10 Euro) zu verkaufen. Ich willigte sofort ein.
    Eigentlich sollten wir den Hazra-Nizamuddin-Bahnhof in Delhi um 5 Uhr erreichen, doch der Zug blieb ständig auf der Strecke stehen, und erst

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