»Sorry, wir haben uns verfahren«
Dort kam die Ansage: »Die Weiterfahrt verzögert sich um einige Minuten, da der Lokführer fehlt.« Etwa zehn Minuten später sah man einen Mann in Bahnuniform mit ÂAktentasche und Kaffee im Pappbecher Richtung Lok rennen. Dann die Durchsage mit atemloser Stimme: »Ich bin dann jetzt da, wir fahren weiter. Nächster Halt ist Osnabrück, dort haben Sie keinen Anschluss mehr an folgende Züge â¦Â« Danach zählte er hörbar amüsiert mehrere Verbindungen auf, die nicht mehr zu erreichen seien. AuÃer ihm fand das aber wohl niemand lustig.
Julia Fischer, Hamburg
»Der Zug wird sich wegen des schlechten Betriebszustandes der Wagen um etwa zehn Minuten verspäten.«
Svenja Koch, Hildesheim
Eine Glosse über die Deutsche Bahn kann gelinde gesagt als problematische Textgattung bezeichnet werden, denn vieles ist einfach Realsatire. Und doch! Als Kennerin des absurden Theaters kann ich der Bahn nur sagen: Hut ab! Ich weià nicht, ob die Geschichte wahr ist, dass einem Bahnkunden gesagt wurde, der ICE 123 sei verspätet, weil Laub auf den Schienen gelegen habe. Ich weià nicht, ob wahr ist, dass ein Kind von Freunden während einer »Signalstörung« im EC 456 nach Köln entstand. Neulich aber hatte die Bundesbahn Event-Charakter, wie ihn Regisseur Claus Peymann auch nicht besser hätte inszenieren können â groÃes Theater!
Ich will mit dem ICE von Göttingen nach Freiburg fahren, erfahre aber schon am Bahnhof, dass er wegen einer »Notbremsung« »auf unbestimmte Zeit verspätet« sei. 15 Minuten später trifft er ein. Schon in Frankfurt hat er eine Stunde Verspätung, die Begründung: »Der Zug hat nur noch ein Triebwerk« und »SignalÂstörung«. In Mannheim ist der Grund der Verspätung »Aufnahme anderer Reisender aus verspätetem ICE«. Dann endlich, etwa 80 Minuten zu spät und kurz vor Freiburg, kommt die Durchsage, dass es einen »Personenschaden« gegeben habe, daher verschiebe sich die Weiterfahrt »auf unbestimmte Zeit«. Ich habe seit Tagen meinen Liebsten nicht mehr gesehen und bin mit ihm in einem romantischen Lokal verabredet. Nun erwäge ich kurz, das Fenster einzuschlagen und zu Fuà nach Freiburg zu laufen, kann aber von verantwortungsbewussten Reisenden davon abgehalten werden. Die Bar wird freigegeben, ich beschlieÃe, mich auf Kosten der Bahn zu betrinken, erfahre aber, dass nur Cola, Wasser und Kaffee frei sind. Da bleibe ich lieber nüchtern.
Der Zug fährt wieder an mit der Durchsage: »Wir halten in Denzlingen, dort wird so bald wie möglich Schienenersatzverkehr eingesetzt.« Zunächst hält der Zug jedoch in Emmendingen. Dem Lokführer scheint das nicht klar zu sein: »Hier ist Denzlingen, bitte alle aussteigen.« Alle steigen aus, bis auf mich, die sowohl Denzlingen als auch Emmendingen kennt und auch auseinanderhalten kann. Dann kommt eine Durchsage im mittlerweile leeren Zug: »Ãh, hier ist Emmendingen, bitte alle wieder einsteigen.«
DrauÃen auf dem schwach beleuchteten Bahnsteig versuchen die wenigen Zugbegleiter, Menschenmassen mit Kind, ÂKegel, Koffern und Tüten wieder einzufangen und in den Zug zurückzubugsieren. Dabei kriegen sie aber leider nicht mehr alle Türen a uf. Kleinere Tumulte und viele engagiert geführte Diskussionen folgen. Ich sitze Âallein im Abteil und erwäge, mir mit der Nagelfeile einen Fluchtweg durch die Zugwand zu sägen.
Als alle Passagiere wieder drin sind (gefühlte Dauer: eine Stunde), fährt der Zug die paar Meter bis Denzlingen; es kommt die Durchsage: »Ãh, das ist jetzt also Denzlingen, bit te alle aussteigen ⦠also die, die nach Freiburg wollen, alle anderen verbleiben bitte im Zug.« Am Bahnsteig steht über müdet mein leicht konsÂternierter Liebster, der sich inzwischen entschlossen hat, mich dort abzuholen. Wir gehen händchenhaltend am Denzlinger Bahnschalter vorbei, an dem ein Âhübsches Plakat hängt: »Auskünfte ohne Fahrkartenkauf: 2 Euro«. Es gibt zu Hause Spiegelei und Tee, und das ist auch irgendwie Âromantisch.
Susanne Bach, Freiburg
Die Eisenbahn, ein Teufelsding
Während die Deutsche Bahn heutzutage wegen Unpünktlichkeit und Servicemängeln gescholten wird, mussten die Eisenbahnunternehmer der ersten Stunde mit viel grundsätzlicherer Kritik fertig werden. Die Eröffnung der ersten deutschen
Weitere Kostenlose Bücher