Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
Vom Netzwerk:
Sundance klopfte leise gegen die Tür. Die Dusche lief weiter. Als Butchs Eltern sich in ihren Betten zu bewegenbegannen, holte Sundance seinen Rucksack, ging die Treppe hinunter und lief nach Hause.
     
    Du fragst dich noch immer, wie es möglich ist, daß zwei Freunde sich so leicht verlieren? Ist in dieser Welt rein gar nichts heilig? Butch und Sundance sind damals wie Brüder gewesen, sie klebten seit dem Kindergarten zusammen, sie waren füreinander bestimmt. Für eine Weile hat die Vergewaltigung auf der Baustelle sie noch enger zusammengeschmiedet. Aber die Nacht, in der sie von zu Hause wegrennen wollten, die Nacht, in der sie vollkommen versagten, trieb einen Keil zwischen die beiden.
    Du weißt nicht, ob es daran lag, daß Butch sich ein zweites Mal verraten fühlte, oder ob Sundance mit dem Gefühl der Hilflosigkeit nicht klarkam. Was auch immer die Gründe waren, jetzt ist es zu spät, danach zu forschen. Damals war nur das Ergebnis wichtig, und das Ergebnis war fatal.
    In der folgenden Woche blieb Butch der Schule fern. Sundance wagte es nicht, bei ihm vorbeizuschauen oder ihn anzurufen. Jeden Abend hatte er sein Walkie-talkie eingeschaltet. Butch meldete sich nicht.
    Am neunten Tag ging Sundance ihn besuchen. Er erwartete, daß ihn die Eltern abwimmelten, er erwartete alles, nur nicht, daß Butch ihm die Tür öffnete.
    – Alles okay bei dir? fragte Sundance, als hätten sie sich gestern erst gesehen.
    – Alles okay, sagte Butch.
    Sein linkes Auge zuckte einmal, dann sah er an Sundance vorbei, als würde er auf jemanden warten.
    – Bist du krank? fragte Sundance.
    – Ein wenig, murmelte Butch.
    Sundance beugte sich vor. Er mußte es fragen.
    – Was haben sie dir angetan?
    Er rechnete damit, daß Butch ihm jetzt erklärte, er wüßte nicht, von wem Sundance sprach. Daß Butch anfing zu weinen. Daß Butch irgendwas tat. Aber Butch antwortete nur:
    – Sie sind verschwunden. Für immer.
    Sundance hätte beinahe losgelacht.
    – Nee, sagte er.
    – Doch.
    – Aber - - -
    – Ich muß wieder rein, sagte Butch. Und du glaubst mir lieber, daß sie verschwunden sind. Denn ich glaube das. Und wenn ich das glaube, dann ...
    Er verstummte und sah Sundance überrascht an, als hätte jemand die Worte aus seinem Mund gestohlen. Sundance wurde nervös.
    – Wir sind doch noch Freunde, oder? sagte er.
    – Natürlich sind wir noch Freunde, antwortete Butch und schloß die Tür.

TAMARA
    Am Nachmittag desselben Tages, an dem Frauke die Villa mit einem Rucksack verläßt, fahren zwei Einsatzwagen auf das Grundstück. Drei Polizisten springen aus dem ersten Wagen und bleiben daneben stehen. Im zweiten Wagen geschieht eine Minute lang nichts, dann öffnet sich die Seitentür, und Gerald steigt aus.
    – Ich hasse das, sagt er zu niemand Bestimmtem und geht auf die Villa zu.
     
    Tamara bekommt das alles nicht mit. Sie ist im ersten Stock und telefoniert, als sie von Wolf nach unten gerufen wird. Sie trifft im Erdgeschoß auf zwei Polizisten. Der Jüngere von den beiden bittet sie, sich zu setzen. Er wirkt freundlich, aber seine Freundlichkeit kann die Anspannung nicht verbergen, unter der er steht. Tamara hat keinen Schimmer, was das soll, außerdem fällt es ihr schwer, Polizisten ernst zu nehmen, die jünger sind als sie.
    – Ich stehe lieber, sagt sie und fragt Wolf, ob er weiß, was hier geschieht.
    – Schau mal aus dem Fenster.
    Tamara geht an den Polizisten vorbei und stellt sich ans Fenster. Sie sieht die Einsatzwagen auf dem Hof und daneben Frauke, die mit Gerald spricht und zum Wasser runterzeigt.
    – Könnten Sie sich bitte setzen? fragt der Polizist sie erneut.
    Tamara bleibt stehen. Draußen sind zwei Polizisten gerade dabei, mit Spaten das Grab auszuheben. Ein dritter Polizist hat einen Schäferhund an der Leine. Der Schäferhund sitzt zu seinen Füßen und läßt die Zunge raushängen. Tamara erkennt in der eisigen Luft deutlich seinen Atem. Wolf stellt sich neben sie.
    – Frauke meint es ernst, sagt er.
    Tamara hat keine Ahnung, was sie dazu sagen soll. Es ist wie heute morgen , denkt sie, wir stehen am Fenster, wir sehen raus, und die Welt da draußen verändert sich, während mit uns nichts geschieht. Sie weiß, daß sie sich belügt. Seit sie die tote Frau an der Wand gefunden haben, geschieht mit ihnen viel mehr, als sie sich eingestehen wollen. Alles bricht zusammen, alles verliert seinen Wert.
    – Wo ist Kris? fragt Tamara.
    – Er hat auf dich gehört, antwortet Wolf, und ist vor einer

Weitere Kostenlose Bücher