Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
Vom Netzwerk:
entschuldigend und nahm den Anruf entgegen. Er hörte kurz zu, bevor er die Verbindung unterbrach.
    – Das war’s dann, sagte Marco M und sie gaben sich die Hand.
    Kris ließ ihn auf der Parkbank zurück. Er lief die Maaßenstraße hoch, vorbei an Cafés und Leuten, die draußen saßen und überteuerte Latte macchiato tranken. Sie sahen nicht gut aus, sie waren blaß, sehnten sich nach der Sonne und hatten keine Ahnung, auf welchen Trend sie gerade hören sollten. Es war gut, keiner von ihnen zu sein.
    Kris setzte sich in seinen Wagen und fuhr in Richtung PostdamerStraße. Er war ruhig, er schaute nicht zu oft in den Rückspiegel. An der ersten Ampel nahm er eine CD aus dem Handschuhfach. Hardkandy. Die Musik brachte ein wenig Licht in seinen Tag. Kris fuhr nach Hause.
     
    Erst nachdem er vor der Villa geparkt hatte, spürte er, wie die Anspannung ihn langsam losließ. Er warf einen Blick in den Rückspiegel und sah auf das offenstehende Eingangstor. Er warf einen Blick auf die Villa. Niemand war zu sehen.
    Kris griff unter den Vordersitz und zog die zwei Päckchen hervor. Die Automatik hatte Kratzer und Schrammen, aber sie lag gut in seiner Hand. Kris mußte an Fraukes Gaspistole denken. Er hatte sie einmal in der Hand gehalten, die Automatik besaß ein ganz anderes Gewicht. Sie war realer. Kris öffnete das zweite Päckchen. Marco M hatte ihm erklärt, daß erst nach dem sechsten Schuß wirklich etwas zu hören wäre.
    – Ich brauche nur zwei Schüsse, hatte Kris daraufhin gesagt.
    Der Schalldämpfer paßte perfekt auf den Lauf. Kris schraubte ihn wieder ab, prüfte die Sicherung, ehe er Waffe und Schalldämpfer wieder unter den Vordersitz schob und ausstieg.
     
    Am Abend aßen sie zusammen. Kris ließ sich von Tamara das Brot reichen und fragte sich, wie Meybach so dumm sein konnte, ein registriertes Handy zu benutzen. Wolf sagte, daß er nach der Beerdigung für ein paar Tage verschwinden wolle, weg aufs Land oder vielleicht ans Meer, er wisse es nicht so genau, und Kris nickte und fragte sich, was er tun würde, wenn Meybach ihm gegenüberstand. Könnte ich? Würde ich? Er hielt nichts von Heldentum, aber er hatte das Gefühl, wenn er nichts tat, würde auch nichts geschehen. Es war ein metaphysisches Gesetz.
    Könnte ich Meybach die Waffe an den Kopf halten und alles beenden?
    Es war die einzige Antwort, die Kris sich weigerte zu denken.
     
    Nachdem Frauke und Wolf sich heute morgen auf den Weg zum Friedhof gemacht hatten, entfachte Kris das Feuer. Drei Stunden später sitzt er noch immer davor. Er weiß, daß er den Moment derEntscheidung absichtlich hinauszögert. Er fürchtet sich. Er fürchtet sich vor sich selbst. Seine Gedanken drehen sich um das Leben, das sie alle vier in der Villa geführt haben, bevor dieser Irre eine Frau an eine Zimmerwand nageln mußte.
    Kris glaubt, wenn er lange genug hier sitzt, wird er alle Ängste ausschwitzen. Seine Augen schmerzen, die Lungen haben Mühe, den Sauerstoff zu verarbeiten. Für einen Moment nickt er weg und erwacht mit einem Schrecken. Er hat sich gesehen. Die Waffe in der Hand. Nicht er hielt die Waffe, die Waffe hielt ihn. Er konnte sie in seinem Traum nicht abschütteln. Als würde die Waffe an seiner Hand kleben.
    Kris kommt auf die Beine. Er hat begriffen, daß er nie den Mumm haben wird. Die Kombination Waffe plus Kris ist lächerlich. Er ist kein Held. Wen wollte er damit eigentlich überzeugen?
    Du gehst los, kaufst dir eine Waffe und was dann?
    Kris streckt sich, er spuckt in die Glut, dann reißt er die Fenster auf. Die frische Luft tut so gut, daß Kris für eine Weile einfach nur im Zugwind steht und die Kälte auf seiner Haut genießt. Frühling und der Lärm von Vögeln. Wie konnte ich nur glauben, daß ich dazu fähig bin? Er läßt das Fenster offenstehen und will unter die Dusche steigen, als ihn das Klingeln des Telefons aus dem Flur aufhält. Kris nimmt den Hörer ab. Es ist Meybach. Er hofft, daß er nicht stört. Er hat einen letzten Auftrag für sie.

DU
    Zwei Tauben stolzieren zur Straßenmitte und warten darauf, daß die Ampel umschaltet. Als die Autos sich in Bewegung setzen, fliegen die Tauben auf und landen auf einem Fenstersims; sobald die Ampel rot ist, landen sie auf dem Bordstein, stolzieren wieder zur Straßenmitte, und das Spiel beginnt von vorn. Du beobachtest sie vier Ampelphasen lang und fragst dich, ob Tauben einen Sinn für Humor haben.
    Eine Glocke erklingt, als du die Bäckerei betrittst. Der Duft von

Weitere Kostenlose Bücher