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Soucy, Gaetan

Soucy, Gaetan

Titel: Soucy, Gaetan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trilogie der Vergebung 02 - Die Vergebung
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spielte sanft in ihrem zerzausten Fell. Sie saugten gierig die Luft ein, von Schaudern durchzuckt. Ihre Flanken, wenn sie sich hoben, verdoppelten ihren Umfang.
    Das Gespann durchquerte Bauerngüter. In der Ferne erhob sich Schornsteinrauch wie ein Gebet von den Holzhütten. Bapaume hatte den Eindruck, sie noch nie gesehen zu haben. Das Profil der Berge, die Windungen des gefrorenen Flusses, die Wälder und einsamen Felsen, die den Fjord säumten und die durch die geheimnisvolle Stille ihrer Formen an die Trümmer einer überkommenen Religion denken ließen – nichts davon rührte sein Gedächtnis. Es gab eine letzte, sanfte Steigung. Dann erschienen, vom Kirchturm überragt, den Louis unmittelbarwiedererkannte, wie man ein geliebtes Gesicht wiedererkennt, die ersten Häuser.
    Die Hunde, wieder auf bekanntem Gelände, fanden den Weg von ganz allein. Das Dorf war menschenleer. Zumindest auf der Hauptstraße war niemand zu sehen. Bapaume sagte sich, die Männer nähmen gewiss an der Suche teil, um die Küsterstochter wiederzufinden. Aber wo waren die Kinder? Die Schule, die halb versteckt hinter der Kirche lag, schien, als sie daran vorbeikamen, leer zu sein.
    Das Gespann hielt vor dem Gemischtwarenladen, ohne dass Maurice einen Finger hätte rühren müssen. Das ließ sich wohl aus der Gewohnheit erklären. Doch Bapaume erschauderte bis ins Mark.
    »Ich bin gleich wieder da.«
    Der Junge sprang vom Schlitten und schlenderte hinüber zum Geschäft. Die Hunde legten sich auf den Bauch. Die Schnauze auf den Pfoten, schnappten sie nach Luft. Louis beneidete sie um ihr ruhiges Gewissen, bis hin zum Ausdruck ihrer Augen, der ihn durch seine Intelligenz und auch durch seine Sanftmut erstaunte, der kaum mit der Wildheit übereinstimmte, die Louis Hunden von Kindheit an zusprach.
    Bapaume saß in seine Wolldecke gewickelt. Er hatte den Eindruck, dass die Vorhänge beiseitegeschoben wurden, dass die Leute ihn von den Fenstern aus beäugten. Von Zeit zu Zeit drang, erstickt von der kalten Luft … ja, tatsächlich, eine Art schmerzerfülltes Stöhnen zu ihm. Er stellte sich Françoises Wehklagen während der Geburt vor. Es schienen ihm dieselben Laute zu sein.
    Um sich äußerlich gefasst zu zeigen, tat er, als interessierte er sich für die Kirche. Sie war aus Feldsteinenerbaut worden, mit einem blauen Dach und einem Turm aus Blech. Er erkannte sie so genau wieder, dass es ihm schien, als lächle sie ihm zu. Mit seiner unmittelbaren Umgebung war es ähnlich. Aber alles andere, die Wohnhäuser, der Laden, das, was aussah wie eine Herberge, und die Straße, waren ihm ebenso fremd wie am allerersten Tag.
    Ebenso verhielt es sich mit dem Haus der von Crofts. Er mochte noch so sehr in seiner Erinnerung wühlen, sie blieb stumm, nichts stieg in ihr auf. Vielleicht hatte er es in diesem Moment schon im Blick, und wusste es nicht. Wie hatte er nur die Orte vergessen können, an denen er dreizehn Monate seines Lebens verbracht hatte?
    Die Klingel über der Ladentür bimmelte. Es war nicht Maurice. Eine hohe, schmale und traurige Gestalt trat auf die Außentreppe. Sie trug einen grauen Mantel, der bis zu den Knien reichte. Der Kragen ebenso wie die Enden der Ärmel waren mit demselben Pelz verbrämt wie der Hut. Die Dame mochte Mitte vierzig sein. An der Art ihrer Aufmachung, die ein Bestreben nach Eleganz verriet, aber nach einer Mode, die vor fünfzehn Jahren zeitgemäß gewesen war, an ihrem Blick, in dem ein Rest enttäuschter Jugend überdauerte, an etwas Unfassbarem in ihrer Haltung, etwas Lächerlichem und Rührendem, erahnte man die alleinstehende Frau, deren Herz nicht viel gedient hatte, die, zu allem Unglück, intelligent war und deren Blick einem, ohne zu wissen warum, einflüstert, dass ihr geordnetes Leben ein Geheimnis verschleiert, das einem die Haare zu Berge stehen ließe. Für den Schlitten hatte sie lediglich einen zerstreuten Blick übrig.
    Doch verlangsamte sich ihr Schritt, und von neuemschaute sie den Reisenden an. Sie blieb stehen. »Wer ist das? Anscheinend erkennt sie mich wieder …« Maurice von Croft kam mit einem Paket unter dem Arm aus dem Geschäft. Das Gespann lief wieder los, ohne dass der Junge das geringste Signal gegeben hätte. Louis betrachtete die Frau. Ihr Blick folgte dem entschwindenden Schlitten, mit hängenden Armen, erstarrt vor Erstaunen.
    Das Haus der von Crofts lag am anderen Ende des Dorfes. Eine Erregung, die beinahe Freude war, überkam Louis. Die gebogenen Flügel des Daches, der

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