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Soucy, Gaetan

Soucy, Gaetan

Titel: Soucy, Gaetan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trilogie der Vergebung 02 - Die Vergebung
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rote Stein, die auf den Gesimsen stehenden Fenster, die viktorianischen Verzierungen, das alles in seiner Gänze war ihm, über zwanzig Jahre hinweg, auf den ersten Blick wieder vertraut.
    »Hier ist es«, sagte Maurice.
    »Ich weiß.«
    Dann, als ergötze ihn die unerwartete Erinnerung, fügte er mit Stolz hinzu:
    »Das da ist neu!«
    Er wies auf einen kleinen, mit Schindeln bedeckten Holzschuppen, der an die hintere Fassade anschloss.
    »Ich weiß nicht. Der war immer schon da.«
    »Ja, du bist noch zu jung. Vor zwanzig Jahren gab es ihn noch nicht.«
    Maurice zuckte nur mit den Schultern. Bapaume hatte ihn von sich aus geduzt und fragte sich, ob er recht getan hatte.
    Sie waren etwa dreißig Meter vom Haus entfernt. Lag es vielleicht daran, dass er sich wieder auf väterlichem Boden befand, jedenfalls hatte Maurice nicht mehr denBlick eines verängstigten Wiesels, den Bapaume am Bahnhof an ihm gesehen hatte. Er stieg vom Schlitten und stand wartend im Schnee.
    »Ich muss wieder zurück, um bei der Suche zu helfen.«
    Louis hatte die Möglichkeit nicht in Betracht gezogen, dass der Junge im Augenblick der Prüfung nicht bei ihm sein könnte. Er wusste nicht genau, was er von ihm erwartete, doch die plötzliche Aussicht darauf, ihn nicht in seiner Nähe zu spüren, erschreckte ihn. Der Junge wartete gefügig. Bapaume hoffte auf ein freundschaftliches Zeichen, den Anflug eines Lächelns, und sei es in den Au gen nur, aber nichts, sein Gesicht blieb verschlossen. Maurice zog eine Hand aus dem Fäustling, um eine Haarsträhne wegzuschieben, die ihn an der Wange kitzelte. Eine schlanke, kräftige Hand mit klaren, bewundernswert feinen Gliedern, die edle Hand eines Pianisten. Louis wagte nicht, ihm zuzulächeln. Jedesmal wenn er sich im Spiegel überraschte, fand er, dass sein Lächeln ihn wie einen Tölpel aussehen ließ.
    Widerwillig stieg er aus dem Schlitten, und seine Beine, durch die seit einer Dreiviertelstunde kein Blut geflossen war, knickten unter seinem Gewicht ein, und er verriss das Gesicht zu einer Grimasse. Der Junge ergriff sogleich wieder die Lenkstange. Grußlos, eingehüllt in den Atemnebel der schnaufenden Hunde, fuhr er in Richtung des Berges. Eine Rettungsmannschaft kehrte soeben von dort zurück. Sie bildete schwärzliche Punkte in der lodernden Weiße, und aus dieser Entfernung wirkten sie wie Fliegen auf einem Haufen aus Zucker.
    »Wie jemand, der einen Totgeglaubten wieder auferstehen sieht«, sagte er zu sich und griff nach seinem Koffer.(Er dachte an die Verwunderung der Frau auf der Treppe vor dem Geschäft.)
    * * *
    Robert von Croft öffnete ihm. Er hatte ihn durch das Guckfenster kommen sehen, und Louis musste nicht einmal läuten. Ein großer, knochiger, stämmiger Greis. Bilder eines Schemels oder Bocks kamen einem in den Sinn, wenn man ihn sah. Sein linker Fuß lahmte und steckte in einem ledernen Schuh, der einem Pferdehuf ähnelte. Trotz der Falten hatte er sich jene unbewegte Physiognomie erhalten, die keinen Gedanken verrät, durchstochen von scharfen, listigen und klugen Augen, die vom Grund ihrer Augenhöhlen aus kleine Blitze schickten.
    Er hatte auch seinen deutschen Akzent nicht verloren und sagte mit heiserer, zerrissener Stimme:
    »Sie hätten bis nächstes Jahr warten sollen, dann fährt die Eisenbahn bis hierher: Die Arbeiten müssten im Frühjahr wieder anfangen. Mit Maurice gab es keine Probleme?«
    »Äh, nein«, erwiderte Louis, der nicht wusste, wie er die Frage verstehen sollte.
    »Er ist ein Strolch«, sagte von Croft.
    Und er machte eine Verbeugung, die aus einer anderen Zeit, aus einer anderen Welt stammte, um Bapaume zu bitten einzutreten.
    Sobald Louis das Haus betrat, erblickte er die junge Frau. In seinem Antwortbrief hatte der alte von Croft Bapaume darüber unterrichtet, wie er die Zwillinge leicht unterscheiden könne: Julia hatte, als sie älter wurde,einen Schönheitsfleck über der Lippe bekommen, den sie als Kind noch nicht hatte. Die junge Frau, die vor Louis stand, war also Geneviève. Sie deutete so etwas wie den Ansatz eines Knicks an, mit ostentativer Achtlosigkeit. Bapaume blieb einen Augenblick stehen, erstaunt, bei der erwachsenen Frau die Gesichtszüge des jungen Mädchens wiederzuerkennen. Geneviève erwiderte reglos seinen Blick, mit einem harten Lächeln, in dem etwas Herausforderndes lag. Sie war an die Dreißig. Angenehme Züge, mehr nicht; doch eine Lebendigkeit und etwas Wildes in den Augen, etwas auf subtile Art Verqueres, das den

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