Soul Beach 1 - Frostiges Paradies (German Edition)
Totenmaske Tutanchamuns. Neben dem Steg, der Strandbar und den Grüppchen von Bambushütten gibt es nichts als Strand und Meer und Himmel. Ach ja, und die Hunderte von anderen Menschen, die ich nicht sehen kann.
»Kannst du denn mich sehen, Meggie?«
Pause. »Ich sehe einen Schatten. Eine Gestalt, die deine Form hat. Und ich wusste sofort, dass du es bist, weil … na ja. Wenn ich sage, du hast eine Aura, klingt das, als hätte ich sie nicht mehr alle, oder? Und nur weil ich tot bin, bin ich noch lange nicht auf so ’nem Eso-Trip. Die anderen sagen, dass du vielleicht irgendwann klarer wirst, vielleicht aber auch nicht. Aber in Gedanken sehe ich dich ganz deutlich vor mir, bis hin zu dem Wirbel links in deinem Pony und dem dicken Pickel, den du immer genau zwischen den Augenbrauen kriegst.« Ich kann die Traurigkeit in ihrer Stimme hören.
»Da sieht man mal, wie viel Ahnung du hast«, erwidere ich. »Die Antibiotika vom Hautarzt helfen jetzt nämlich endlich. Ich habe seit April keinen Pickel mehr gehabt.«
»Du wirst erwachsen, Alice.«
So nennt sie mich nur, wenn sie ganz ernst ist. »Ja.«
Das Schweigen zwischen uns lastet schwer.
Schließlich sagt Meggie wieder etwas. »Ich sollte dich jetzt gehen lassen, Schwesterherz. Ist ganz schön anstrengend, oder? Wieder zusammen zu sein und zu wissen, dass es jeden Moment vorbei sein könnte?«
Ich will gerade widersprechen, dass ich bleiben möchte, aber plötzlich wird mir klar, wie hundemüde ich bin, und als ich auf die Uhr sehe, ist es schon fast Mitternacht. Ich bin seit fast drei Stunden am Strand. Wie kann das sein? Es kam mir wie Minuten vor. Die schönsten, aber auch die schlimmsten Minuten meines Lebens.
»Dann geh ich jetzt. Aber morgen komme ich wieder, wenn das okay ist?«
»Okay?« Sie lacht. »Eins kann ich dir mit absoluter Bestimmtheit sagen: Dass du hier am Strand aufgetaucht bist, ist das Beste, was mir passiert ist, seit ich gestorben bin. Schlaf schön, Florrie.«
Es ist nicht gelogen. Das kann ich in ihrer Stimme hören.
»Schlaf gut, Meggie.«
17
»Drei Fragen reichen aus, um die Wahrheit herauszufinden. Mit nur drei Fragen kann man eine Regierung stürzen, eine Affäre aufdecken, einen Mörder entlarven.«
Mr Bryants Worte bohren sich wie ein Messer in meinen Tagtraum.
Einen Mörder entlarven? Die Begegnung mit meiner Schwester hat meinen Wunsch, ihren Mörder zu finden, wieder zurück in den Mittelpunkt gerückt. Das und sie und der Strand sind alles, woran ich denken kann.
»Also, ich hätte jetzt gern, dass ihr Vierergruppen bildet und ein Interview für eine eurer Lieblingsberühmtheiten plant. Ein Interview, in dem ihr mehr über sie herausfindet als jemals jemand zuvor – allerdings habt ihr dafür nur drei Fragen zur Verfügung.« Mr Bryant klatscht in die Hände, als wollte er sich selbst applaudieren.
Früher habe ich seinen Unterricht gemocht, weil er, im Gegensatz zu den meisten anderen Lehrern, zumindest versucht, ihn unterhaltsam zu gestalten.
Aber jetzt ärgert es mich nur, dass ich hier sitzen und mir seine blöden Sprüche anhören muss, während ich eigentlich am Soul Beach bei meiner Schwester sein will.
In der Mittagspause gehen Cara und ich mit unseren Cola light raus auf die Schulwiese, damit sie ihre verblassende Bräune in der schwachen Herbstsonne auffrischen kann. Den Goth-Look hat sie aufgegeben – »Die Typen, die auf so was stehen, sind alle depressive Trottel« – und zwei komplette Samstage damit verbracht, sich ihre schwarzen Haare honigblond umfärben zu lassen. Dazu macht sie noch eine Diät, die hauptsächlich aus Koffein zu bestehen scheint, um sich auf ein Date mit einem Personal Trainer vorzubereiten. Aus Rücksicht auf sie esse ich auch nichts.
Obwohl die Sonne scheint, kann ich nicht aufhören zu zittern. Am Soul Beach sind die virtuellen Strahlen so kräftig, dass sie mein Gesicht zum Kribbeln bringen.
»Wahnsinnswetter, oder? Fast wie im Urlaub«, schwärmt Cara.
Ich nicke halbherzig.
»Was ist los, Süße?«
Ich zucke mit den Schultern. »Das Übliche.«
»Weißt du … vielleicht hat deine Mum ja doch recht. Dass du’s mal mit Trauerhilfe versuchen solltest, meine ich. Weil, von alleine wird’s nicht besser, oder?«
Ich starre sie an. Wie kann sie es wagen? Aber bevor ich es aussprechen kann, hebt sie schon die Hand.
»’tschuldige, ’tschuldige. Vergiss es. Geht mich gar nichts an. Ich kann das alles nicht im Geringsten nachvollziehen und so weiter und so weiter. Tun
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