Soul Beach 1 - Frostiges Paradies (German Edition)
Brüste in dem engen Kleid auf- und abhüpfen. »Ich weiß, dass jeder, der diese Sendung genauso liebt wie wir, heute Abend an eine unserer talentiertesten und beliebtesten Kandidatinnen denken wird. Das Mädchen, das unsere Herzen mit den ersten Tönen, die es sang, erobert hat. Das Mädchen, das in Großbritannien und auf der ganzen Welt als die Nachtigall bekannt wurde.«
Das Orchester spielt leise Musik: die ersten Akkorde von Amazing Grace . Es folgt ein Einspieler von Meggie aus jener ersten Show, aber sie haben irgendetwas mit dem Video angestellt, sodass es leicht verblasst und an den Rändern verschwommen wirkt. Sie sieht so frisch und perfekt aus wie immer – Lewis hat totalen Blödsinn geredet, als er meinte, sie hätte allenfalls ganz gut ausgesehen –, aber der Effekt lässt sie wie einen Star der Zwanziger- oder Dreißigerjahre wirken. Wie eine Ikone.
»Meggie Forster war ein einzigartiges Talent«, deklamiert der Schauspieler in demselben Ton, den er auch als Hamlet benutzt haben muss. »Und sie ist viel zu jung von uns gegangen. Wir werden während der gesamten Staffel an sie denken, aber ganz besonders heute Abend wollen wir uns gemeinsam an sie erinnern. Danke, Meggie, für alles, was du uns und unseren Zuschauern geschenkt hast.«
Oh ja, denke ich. Dir hat sie jedenfalls eine ordentliche Gehaltserhöhung geschenkt. Die erste Staffel war nämlich die totale Pleite. Erst als die Zeitungen in der zweiten Staffel anfingen, von der Nachtigall zu schwärmen, schalteten die Leute ein, von Australien bis Zimbabwe.
»Verständlicherweise sahen sich Meggies Eltern und ihre Schwester nicht in der Lage, heute Abend hier bei uns im Publikum zu sitzen«, sagt das Model und setzt einen so angestrengt mitfühlenden Blick auf, dass ihr fast die Augen aus den Höhlen springen.
»Die haben tatsächlich gefragt?«, schnaubt Dad und Mum nickt, die Augenbrauen hochgezogen.
»Aber Meggies Mutter, Beatrice, hat sich bereit erklärt, mit uns über die sechs Monate zu sprechen, die vergangen sind, seit sie ihre Tochter verloren hat, und darüber, wie sehr es ihr in ihrer Trauer hilft zu wissen, dass sich Millionen Menschen an Meggie erinnern.«
Mum bekommt denselben weichen Effekt verpasst wie Meggie. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sie zugenommen hat. Jedenfalls sieht sie mehr wie Meggies Schwester aus, als das Bild größer wird und sie in dem Sessel zeigt, auf dem ich mich gerade zusammengerollt habe.
»Schon in den ersten Wochen ihres Lebens«, erzählt Mum, »hatte ich so ein Gefühl, dass irgendwann einmal Millionen von Menschen mein kleines Mädchen kennen würden …«
Am Ende des Einspielers – der geschmackvoller geworden ist, als ich dachte, auch wenn es schon verdammt daneben war, wie die Boygroup, die auf dem zweiten Platz gelandet ist, zwischendurch für ihr neues Album geworben hat – liest der Schauspieler noch die Telefonnummer der Organisation Crimestoppers vor.
Als die Kamera in einen anderen Bereich des Studios schwenkt, wo das Model nun die Teilnehmer interviewt, schaltet Dad den Fernseher auf stumm. »Tja, das war’s also.«
»Ich weiß, du wolltest nicht, dass ich da mitmache, Glen, aber wer weiß, wozu es gut sein könnte? Vielleicht bekommt ja jemand ein schlechtes Gewissen und geht zur Polizei«, erklärt Mum.
Und wir wissen alle, welchen Jemand sie da im Sinn hat.
»So furchtbar war es wirklich nicht«, räumt Dad ein. »Was meinst du, Alice?«
»Hätte schlimmer sein können«, bestätige ich. Ich warte darauf, endlich in mein Zimmer und zum Strand gehen zu können, wo meine Schwester in der Gegenwart existiert und nicht nur in einer tragischen Vergangenheit.
Schweigend sitzen wir da. Ich weiß nicht, was in den Köpfen meiner Eltern vorgeht. Vielleicht will ich es auch gar nicht wissen. Was, wenn sie denken, dass die falsche Tochter gestorben ist?
Plötzlich steht Dad auf. »Die Pizza. Die haben gar keine Pizza gebracht. Ich ruf da mal an und mach denen Dampf.«
Ich will sagen, dass ich keinen Hunger mehr habe, aber er ist schon verschwunden.
»Ich gehe schon mal ins Bett, Mum.«
Sie steht auf und breitet die Arme aus. »Ich habe doch das Richtige getan, oder, Alice? Es ist so schwer zu sagen, was richtig und was falsch ist.«
Ich umarme sie und flüstere: »Natürlich, Mum. Du hast das großartig gemacht.« Dann mache ich mich los und gehe nach oben.
Ich habe vier neue SMS.
Cara schreibt: Halt durch, Süße. Lust auf einen Drink mit Felipe und mir später?
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