Soul Beach 1 - Frostiges Paradies (German Edition)
und der Gewissheit, dass dies hier im Augenblick das Einzige in meinem Leben ist, was wirklich zählt.
»Ich kann hören, dass jemand im Haus ist«, erwidert Lewis. »Mensch, Alice, jetzt kneif doch nicht im letzten Moment. Ich hab bestimmt nicht meinen Sonntag geopfert, um gleich an der ersten Hürde zu scheitern. Versuch’s noch mal.«
Verdammt, hat der Kerl einen Kommandoton am Leib.
Aber leider hat er recht. Was soll ich Meggie und Danny erzählen, wenn ich jetzt gehe? Und wie kann ich mich weiterhin im Spiegel ansehen, wenn ich diese Gelegenheit verschenke, Triti zu helfen und dem Geheimnis von Soul Beach auf die Spur zu kommen? Das hier ist definitiv nicht der richtige Zeitpunkt für schwache Nerven.
Ich drücke abermals fest auf die Klingel und diesmal hören wir sie laut und deutlich durchs Haus schallen, unmöglich zu ignorieren.
Durch die Glaseinsätze in der Tür sehe ich eine Bewegung. Eine schlanke Gestalt nähert sich mit demselben raschen, aber fließenden Gang, wie ich ihn von Triti kenne, und bevor ich noch mal Luft holen kann, geht die Tür auf.
»Ja, bitte?«
Kein Zweifel, wir haben das richtige Haus erwischt. Das kann nur Tritis Bruder sein. Er hat ein schmales, beinahe katzenhaftes Gesicht. Und obwohl er sonntäglich lässig gekleidet ist – Jeans und ein knittriges T-Shirt –, wirkt er unheimlich elegant.
»Ich möchte nicht stören –«, setze ich an.
»Nicht schon wieder«, unterbricht er mich mit einem Stöhnen. »Ich habe doch schon beim letzten Mal gesagt, wir sind nicht interessiert an ewiger Erlösung, okay? Und außerdem klingt es auch so, als würde die Verdammnis viel mehr Spaß machen.« Seine Stimme klingt vornehmer als die seiner Schwester, aber auch spitzer.
»Wir wollen dich nicht bekehren oder so was«, sagt Lewis und legt die Hand an die Tür, sodass der Junge sie uns nicht vor der Nase zuknallen kann.
Ich trete vor. »Es geht um deine Schwester. Triti. Triti Pillai, das ist doch richtig, oder? Sie ist … sie war eine Freundin von mir.« Da sind sie wieder, Meggies goldene Regeln des Lügens. Dieser Teil meiner Geschichte entspricht beinahe der Wahrheit, aber der nächste tut es nicht. »Wir kannten uns aus der Schule.«
Argwöhnisch sieht er mich an. »Du bist jünger als sie.«
»Triti war zwei Stufen über mir«, sage ich. »Und immer nett zu mir.«
Er runzelt die Stirn und mustert mich. »Du warst aber nicht bei der Gedenkfeier.«
»Nein, ich wäre gern gekommen, aber ich war … im Urlaub. Bitte, können wir vielleicht kurz reinkommen?«
»Aber du warst definitiv nicht bei ihr auf der Schule«, sagt Tritis Bruder zu Lewis.
»Ich bin Alice’ Freund«, erwidert er und ich unterdrücke ein Schnauben. »Wir halten dich auch nicht lange auf, versprochen.«
Der Junge zögert, öffnet die Tür jedoch ein Stück weiter. »Okay. Aber wirklich nur kurz, meine Eltern kommen bald zurück und ich will nicht, dass Mum sich wieder aufregt.«
Lewis macht heimlich eine Daumen-hoch-Geste, als wir das Haus betreten, das nach Vanille-Lufterfrischer riecht. Wir folgen Tritis Bruder durch den breiten Flur in einen Wintergarten auf der Rückseite des Hauses. Es ist kühl und schummrig und die Oktoberwolken hängen so tief, dass ich das Gefühl habe, ich könnte den Finger ausstrecken und ein Loch hineinstechen. Er bedeutet uns, uns zu setzen. Die Rattanmöbel quietschen unter unserem Gewicht.
»Lewis«, stellt Lewis sich vor und gibt dem Jungen die Hand.
»Rafi.«
»Ich bin Alice.«
»Ja. Hat er ja schon gesagt.« In Rafis Augen liegt genauso viel Misstrauen wie in Tritis und das kann ich ihm auch kaum übel nehmen. »Was willst du hier? Warum kramst du die Geschichte nach so langer Zeit wieder hervor?«
»Ich …« Oh Gott, das Ganze war eine schreckliche Idee. Ich will einfach nur hier weg, denn von allen Leuten sollte ich doch wohl am besten verstehen, wie entsetzlich es ist, eine Schwester zu verlieren. Wahrscheinlich hatte er gerade, ein Jahr danach, endlich einigermaßen damit abgeschlossen und jetzt tauche ich hier auf, mit meinen Lügen, und zerre alles wieder ans Tageslicht.
Aber ich tue es ja für sie . Das darf ich nicht vergessen. Wenn ich herausfinde, warum Triti am Strand ist, kommt sie vielleicht von dort weg. Und danach vielleicht meine Schwester …
Lewis stößt mich mit dem Ellbogen an.
»Ich bin gekommen, weil ich Angst habe, dass mit mir dasselbe geschieht wie mit Triti.«
Rafi mustert mich kurz von oben bis unten. Gott sei Dank habe ich seit
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