Soul Kitchen
bekam starken Druck auf den Ohren. In Panik riss er sich die Taucherbrille vom Gesicht, schwamm nach oben und kraulte an den Strand. Jeden Tag übte er, was er im Schwimmunterricht versäumt hatte, weil er nicht hingegangen war. Er beherrschte bald den Schmetterlingsstil, Rückenkraulen und einen sauberen Sprung von einem Felsen mit einer Höhe von bestimmt zehn Metern. Er tauchte immer länger, aber nur noch im flachen Wasser, und ihm gelang nun sogar ein besonders langer Unterwasserhandstand, eigentlich eine Mädchendisziplin.
Nach ein paar Wochen hatte er Muskeln bekommen und jede Menge Gewicht verloren; seine Haut war braun und rein. Niemand störte ihn in seiner Bucht; weit draußen fuhren Schiffe vorbei. Manchmal hörte er Kinder, die hoch über ihm an den Klippen entlangwanderten. Die größeren Buchten lagen vom Hafen aus in der anderen Richtung. Bevor man bis zu Zinos’ Bucht gelangte, fuhr man an einigen größeren vorbei; eine hatte sogar einen langen Strand. Niemand fuhr bis zu seiner Bucht, denn dahinter war es nur noch felsig.
Doch an einem Nachmittag näherte sich ein kleines Motorboot. Er erkannte sie, als sie anlegte. Sie trug eine Baseballkappe, eine kurze Hose und ein Bikinioberteil. Beides zog sie aus, warf es ins Boot und zündete sich eine Zigarette an. Mit dem Cap auf dem Kopf und in einer knappen Bikinihose kam sie mit ihren langen Beinen auf Zinos zu.
»Jetzt sind wir beide gleich angezogen. Ist doch fair«, sagte Vassiliki.
»Ich hab keine Mütze«, sagte Zinos. Sie warf ihr Cap in den Sand.
»Schönes Handtuch.«
Sie ließ sich neben Tante Elenis geblümtes Handtuch in den Sand fallen, streckte sich und öffnete ihren Haarknoten.
»Gehen wir schwimmen, ich stell dir Katerina vor«, sagte sie.
»Katerina?«
»Meine beste Freundin. Sie ist leider eine Schildkröte, wir können also nie zusammen in die Disco. Sie kommt aber immer vorbei, wenn ich hier bin.«
»Ich glaube, ich kenne Katerina. Ich habe sie schon einmal getroffen .
»Da hast meinen Whiskey getrunken, das hat sie gerochen. Sie dachte, ich bin da. Am liebsten ißt sie Kalamares oder Garnelen. Ich habe was dabei, komm schon.«
Vassiliki lief ins Wasser. Zinos schwamm ihr nach. Schon nach kurzer Zeit tauchte die Schildkröte auf. Vassiliki fütterte sie.
Sie hatte eine sehr gute Taucherbrille und tauchte tiefer, als Zinos sich je getraut hätte. Als sie wieder hochkam, küsste er sie.
Am Strand zog sie ihre Bikinihose aus und setzte sich mit gespreizten Beinen in den Sand. Zinos schmeckte das Salzwasser, sie zog ihn hoch und setzte sich auf ihn.
Später, als es bereits dunkel wurde, schlug er vor, am Hafen zu essen, aber Vassiliki hatte alles dabei: Schafskäse, ein ganzes Weißbrot, eingelegte Pepperoni, zwei kleine Makrelen, Feigen, Kirschen, Gras und Zigaretten. Sie aßen, erzählten sich voneinander, kifften, tranken Limonade und Whiskey und schliefen ein. Als die Sonne aufging, wachte Zinos auf.
Das Leben erschien ihm wie ein einziges blaues Leuchten. Er sah Vassiliki an, sie sah so weich aus und atmete regelmäßig. Da er glaubte, sie würde schlafen, sagte er, dass er sie liebe. Er hatte es Bogdana sagen wollen, jedes Mal, als er sie gesehen hatte. Und er glaubte noch immer, sie hätte wissen sollen, wie viel sie ihm bedeutete. Nun, da er den Satz ausgesprochen hatte, war er frei. War es wichtiger, zum ersten Mal mit einer Frau zu schlafen – oder zum ersten Mal auszusprechen, dass man sie liebte? Mit einer Frau schlafen würde irgendwann normal sein, Liebe zu bekennen niemals. Nicht, wenn man dabei die Wahrheit sagte. Er sagte es noch mal und noch mal und wusste nicht, ob es die Wahrheit war.
Vassiliki öffnete die Augen und strahlte ihn an, sprang auf und rannte ins Wasser.
Sie schwammen noch einmal raus und gaben Katerina die Reste ihres Picknicks. Dann ruderte Zinos zurück, während Vassiliki langsam mit ihrem Motorboot neben ihm her fuhr.
»Womit verdienst du eigentlich dein Geld?«, rief er zu ihr rüber.
»Ich nehme Kassetten auf und verkaufe sie!«
»Raubkopien?«
»Na ja, ich stelle die Lieder neu zusammen. Ich verkaufe sie billiger, als sie im Laden sind. Ich bin gut im Zusammenstellen von Musik, ich will DJ werden!«
»Cool. Und was machst du heute noch?!«
»Ich bleibe bei meiner Mutter. Weiß nicht, wie lange. Sehn wir uns?«
»Ja, wollen wir bei Angelos was essen?«, fragte er.
»Das ist keine gute Idee, die mögen mich nicht.«
»Du gehst mit mir hin. Ich sag, du bist meine
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