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Soul Kitchen

Soul Kitchen

Titel: Soul Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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ganzen Tag bei Tante Eleni in der Küche und sah ihr beim Einmachen und Kandieren zu. Ab und zu ging er in das Zimmer ohne Fenster und heulte. Eine Woche duldete Tante Eleni diesen Zustand. Dann begann sie eines Morgens, als Zinos sich gerade erhob, um in das Zimmer zurückzugehen:
    »So, jetzt ist es genug. Niemand ist gestorben, du bist nur ein Biest losgeworden! Für so eine hast du nun genug gelitten. Was willst du tun, Zinos?«
    »Kann ich nicht einfach bei dir bleiben und mit dir Früchte einlegen?
    »Das Leben ist zu kurz, um Früchte einzulegen.«
    »Aber du tust doch nichts anderes.«
    »Ja, mein Zinos, aber davor hatte ich ein Leben. Jetzt hab ich meine Ruhe. Und zu verzweifeln, zu glauben, nichts hätte mehr einen Sinn, ist in jedem Alter bloß Bequemlichkeit. Für diese Vassiliki zu verzweifeln ist ohnehin verschwendete Mühe. Sie hatte doch nicht viel mehr zu bieten als ihre Schönheit.«
    »Wann kommt die nächste Fähre, Tante?«
    »Morgen früh.«
    Tante Eleni stand um drei Uhr morgens mit Zinos auf, machte ihm wieder das Omelette mit Garnelen. Sie schleppte eine seiner Taschen nach unten zum Hafen, die voller Gläser mit kandierten Kirschen war. Sie warteten bis zum Mittag, dann kam Hermes zu ihnen und berichtete, dass es wieder ein Unglück gegeben habe und einige Fähren wegen technischer Mängel aus dem Verkehr gezogen worden seien. Eine Insel wie M. wurde in solchen Zeiten nicht angefahren. Zinos verbrachte noch ein paar Tage auf M., dann nahm ihn ein Fischer mit auf die nächste größere Insel. Von dort nahm er die Fähre nach Athen. Katerina hatte er nicht mehr besucht. Die Schildkröte vermisste ihn sicher genau so wenig wie Vassiliki.
    Tante Eleni hatte beim Abschied die gleichen Tränen geweint wie damals, als sie Illias und Zinos an sich gedrückt hatte. Tränen, die beides zugleich bedeuteten: Traurigkeit und Erleichterung.
    REZEPT: TANTE ELENIS SAUERKIRSCHEN IN SIRUP
    MAN BRAUCHT
    – ein Kilo Sauerkirschen
    – ein Kilo Zucker (Die Menge des Zuckers erhöht sich bei Früchten, die roh nicht genießbar wären, wie zum Beispiel bei Quitten, um das Anderthalbfache)
    – hundertsechzig Milliliter Leitungswasser
    – drei Esslöffel Zitronensaft
    – einen Topf und Kochlöffel
    – ein großes Einmachglas oder viele kleine
    – kleine silberne Schälchen und Löffel
    – ein Glas Stilles Wasser
    – vierundzwanzig Stunden
    ZUBEREITUNG
    Zuerst wäscht man die Kirschen und breitet sie zum Trocknen in der Sonne aus. Aber wenn man zum Beispiel in Hamburg lebt, breitet man sie einfach nur aus – am besten auf Küchenpapier Damit sie schneller trocknen, kann man sie auch abtupfen. Wenn man sie entkernt hat, schichtet man sie abwechselnd mit dem Zucker in dem Topf auf bis alles drin ist.
    Dann mit dem Leitungswasser aufgießen und alles über Nacht stehen lassen. Das Ganze etwa eine Stunde köcheln lassen und den dabei entstehenden Schaum abschöpfen. Wenn die Flüssigkeit eindickt, den Zitronensaft unterrühren, den Topf vom Herd nehmen und erkalten lassen. Ah und zu umrühren. Dann füllt man alles in ein großes Glas oder in mehrere kleine.
    Die kleinen Gläser kann man mitbringen, wenn man selber Gast ist – oder man kann ein Tauschgeschäft mit einem Nachbarn machen, falls zum Beispiel zum Milchkuchenbacken die Milch fehlt, zum Grieskuchen der Grieß ...
    Das große Glas benutzt man, wenn man nachmittags Besuch bekommt. Man füllt etwas in die Schälchen und legt die Löffel dazu. Es ist so süß, dass es unhöflich wäre, kein Glas stilles Wasser dazuzustellen. Dann lutschen alle zusammen langsam die Sirupfrüchte und das Gespräch ist eröffnet. Das Gliko ist eine Art Nachmittagsaperitif.
    Mokka und Kuchen sollten darauf folgen. Denn bis zum Abendessen ist noch genug Zeit.

Zwischen den Jahren
    » Gelobt wirst du noch genug, wenn du tot bist. «
    Noch bevor Zinos in Hamburg zum ersten Mal wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, bekam er eine fiebrige Erkältung.
    Er lag in seiner von Charlize blitzblank geputzten Wohnung und schneuzte sich ununterbrochen die Nase, die rot und wund war und noch größer wirkte als sonst. Auch ein paar Pickel auf der Stirn waren zurückgekehrt und machten sich nicht sonderlich gut in seinem blassen Gesicht. Beinahe eine Woche blieb er zu Hause und ernährte sich von Tante Elenis Geschenken. Vor allem die Kirschen schienen dem Immunsystem gutzutun. Gerade als er zur Tür hinaustreten wollte, überkam ihn ein erneuter Anfall von Schüttelfrost, und er

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