Soul Kitchen
einziges Restaurant Tischdecken, und nirgends riecht es so gut wie dort, auch nicht bei unserem geschätzten Goliath.«
Gudrun rief all das, ohne sich noch mal umzudrehen, sie hob den Arm, drehte die Hand und winkte. Grietche stapfte durch den Sand und rief schon von Weitem:
»Was hast du denn mit der zu tun?«
»Warum, was ist denn mit ihr?«
»Ach nichts, sie ist super. Sie gibt das meiste Trinkgeld.«
»Sie will nur was mit mir essen, wir haben uns nett unterhalten, sie kennt Hamburg und mag Griechenland.«
»Griechenland.«
Grietche verzog das Gesicht.
»Hast du was gegen Griechenland?«
»Nein, nein, ich hab lange auf Kreta in einer Disco gearbeitet, in Chersonissos. Ich habe geglaubt, das würde mich erwachsen machen, in einer Disco in einem fremden Land zu arbeiten. Der Barchef hat mich entjungfert. Ich trug ein kurzes weißes Kleid, weiß wie sein Laken, und er flippte total aus, als er sah, dass ich blutete. Nicht weil er mich entjungfert hatte, sondern weil er eine Freundin hatte, die ihm das Bett machte.«
»Das tut mir leid, aber er hätte genauso gut Italiener sein können, oder Spanier!«
»Du bist aber auch nicht frei von Rassismus.«
»Oder Engländer?!«
»Nein, von einem Engländer hätte ich mich niemals entjungfern lassen.«
»Warum nicht?«
»Die sehen ja noch beschissener aus als die Deutschen.«
»Es gibt verdammt viele schöne deutsche Mädels.«
»Hat dich ’ne Deutsche entjungfert?«
»Nee, ’ne Jugoslawin.«
»Siehst du.«
»Ach, Mädchen, du arbeitest schon zu lange unter Touristen.«
»Stimmt, und Gudrun ist ein ganz besonderes Exemplar!«
»Gudrun ist nett, ich mag Gudrun. Weißt du wie alt sie ist?«
»Keine Ahnung, schwer zu schätzen, die hat ja schon restaurieren lassen, aber sicher zu alt für dich.«
»Ihre Art ist schön.«
»Was soll das Gesülze? Zinos, die ist nichts für dich, der bist du nicht gewachsen. Ich will hier nicht tratschen, aber ich sag’s dir noch mal, die ist nichts für dich.«
»Ey!, ich will nichts von der, wir unterhalten uns nur, die ist nett.«
»Ich bin auch nett.« Grietche verschränkte die Arme, legte dann den Arm um Zinos und sagte:
»Wir sollten heute Nacht zusammen feiern, wir treffen uns an dem Spot bei der Bar Libre, wenn ich Feierabend hab. Die Party fängt bei Dämmerung an, und sobald die Sonne aufgeht, paddeln alle, die ein Brett haben, aufs Meer, spätestens dann bin ich da.«
»Gudrun will mich heute zum Essen einladen, ins Palco .«
»Aha, da gehen viele von diesen Frauen hin.«
»Was meinst du mit diesen Frauen?«
»Nichts, ich meine nichts, ich meine, wir brauchen neues Eis, kannst du welches machen gehen, die Eismaschine ist hinten, durch die Küche, und dann ist da links so ein Raum, es gibt kein Licht, neben der Eismaschine steht eine Kerze ... Nein, was sehn meine Augen, da kommt ja Rocky! Ich glaub es nicht! Zinos, du legst dich in die Sonne, aber erst wenn Rocky geduscht hat, den Partydreck, der an seinem Schweiß klebt, riech ich ja jetzt schon ...«
Rocky näherte sich schlurfend, kam langsam näher, jeder Schritt im Sand schien ihm große Mühe zu bereiten, er hatte einen Afro und trug nur eine Badehose.
»Hey!, Grietche, wer ist denn der Typ mit der Nase an meiner Bar?«, sagte er und wischte sich mit dem Handrücken im Gesicht herum.
»Das ist Zinos, der spricht Deutsch, und er arbeitet richtig gut an deiner Bar.«
»Cool, dann kann ich ja gehen«, er rotzte in den Sand.
»You stay!«
Goliath kam aus dem Restaurant, packte Rocky an den Haaren und zog ihn in Richtung Duschen. Er drehte sich noch mal um und rief:
»Zinos, you are free for today!«
Zinos hatte Grietche bis dahin noch nicht so selig gesehen. Er duschte an diesem Nachmittag zum ersten Mal in seinem Leben nackt in Gesellschaft. Dabei unterhielt er sich angeregt mit der nackten Vanessa aus Kanada und der nackten Nanni aus Guatemala, und er bemühte sich, das Gespräch aufrechtzuerhalten. Noch nie zuvor hatte er schönen Frauen dabei so konzentriert und unentwegt in die Augen gestarrt, dass er Kopfschmerzen bekam. Sie verabredeten sich für später auf der Party.
Zinos wühlte in seinen Sachen und fand eine saubere Jeans; sie hatte ein kleines Loch am Hintern, aber es war die einzige saubere Hose. Er fand ein T-Shirt, das ganz okay roch, er besprühte es mit dem Azzaro-Deo, das er Christiano geklaut hatte. Irgendwo auf dem Gelände sollte eine alte Waschmaschine stehen. Es war noch immer warm, er ging den Strand entlang.
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