Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele
ich nicht verrückt war. Oder? Ich hatte Heidi Anderson in einen Schatten gehüllt gesehen und gewusst, dass sie sterben würde. Ich hatte es Emma und Nash erzählt. Und jetzt war es eingetreten.
Der Barhocker schlitterte über die Fliesen, als ich hektisch aufsprang. Ich musste es jemandem erzählen, brauchte die Bestätigung,dass ich mir die Nachricht nicht eingebildet hatte. Wenn mein Kopf dazu imstande war, sich den Tod einzubilden, dann war so eine Nachrichtensendung ja wohl ein Klacks dagegen. Meiner Tante konnte ich die Wahrheit aber nicht sagen, ohne zu gestehen, dass ich heimlich in einen Club gegangen war. Würde ich ihr das beichten, würde sie sich den Rest gar nicht mehr anhören, sondern mir sofort die Autoschlüssel wegnehmen und meinen Vater anrufen.
Nein, es Tante Val zu erzählen kam nicht infrage. Aber Emma würde mir glauben.
Unter dem überraschten Blick meiner Tante warf ich den Teller in die Spüle und rannte in mein Zimmer, ohne mich um ihren lautstarken Protest zu kümmern. Ich knallte die Tür mit dem Fuß hinter mir zu, ließ mich aufs Bett fallen und riss das Handy vom Nachttisch, wo ich es zum Aufladen hingelegt hatte.
Ich wählte Emmas Nummer und unterdrückte mühsam ein Stöhnen, als ihre Mutter ranging. Emma war gestern doch über eine Stunde zu früh heimgekommen. Wofür hatte sie diesmal wieder Hausarrest bekommen?
„Hallo, Mrs Marshall.“ Ich drehte mich auf den Rücken und musterte die Struktur der Decke über mir. „Kann ich Em sprechen? Es ist ziemlich wichtig.“
Emmas Mutter seufzte vernehmlich. „Heute nicht, Kaylee. Emma ist gestern mit einer ziemlichen Alkohol-Fahne heimgekommen. Jetzt hat sie bis auf Weiteres Hausarrest. Ich kann nur hoffen, dass du nicht dabei warst und mitgetrunken hast.“
Ach, du Scheiße! Ich schloss die Augen und überlegte fieberhaft, wie ich Emma nicht als die große Übeltäterin dastehen lassen konnte. Aber ich vermasselte es völlig. „Äh, nein, Ma’am. Ich bin gefahren.“
„Schön, dass wenigstens eine von euch bei klarem Verstand war. Tu mir den Gefallen und lass Emma nächstes Mal daran teilhaben – vorausgesetzt, sie darf je wieder aus dem Haus!“
„Natürlich, Mrs Marshall“, sagte ich und legte erleichtert auf. Gott sei Dank hatte ich nicht, wie ursprünglich geplant, bei denMarshalls übernachtet. Es wäre sicher kein besonders angenehmes Frühstück geworden mit zwei Schwestern, von denen eine Hausarrest hatte und die andere noch völlig unter Schock stand.
Ich überlegte kurz und entschied mich dann, Nash anzurufen, auch wenn ich einen leisen Anflug von Panik verspürte. Ja, er hatte einen gewissen Ruf, und ich zweifelte an seinen Beweggründen. Aber zumindest hatte er mich nicht ausgelacht, als ich ihm die Wahrheit erzählt hatte.
Und da Emma Hausarrest hatte, blieb nur noch Nash.
Erst als ich das Handy hob, fiel mir auf, dass ich seine Nummer gar nicht hatte.
So leise wie möglich schlich ich mich ins Wohnzimmer. Dem Duft von gebratenem Speck nach zu urteilen, war mein Onkel inzwischen aufgestanden. Ich schnappte mir das Telefonbuch aus der Schublade der Kommode und huschte zurück in mein Zimmer. Es gab vier Hudsons unter der richtigen Vorwahl, aber nur einen davon in Nashs Straße. Hastig tippte ich die Nummer ein. Nash meldete sich nach dem dritten Klingeln.
Mein Herz pochte so laut, dass ich fürchtete, es wäre am anderen Ende der Leitung zu hören. Vor lauter Aufregung brachte ich kein Wort heraus.
„Hallo?“, rief Nash ins Telefon. Er klang müde und genervt.
„Hey, hier ist Kaylee“, platzte ich heraus und hoffte inständig, dass er sich an mich erinnerte. Hatten wir gestern wirklich zusammen getanzt, oder hatte ich das nur geträumt? Nach allem, was passiert war, konnte ich es nicht mit Bestimmtheit sagen.
Nash räusperte sich. „Hi. Du willst doch nicht etwa absagen, oder?“ Seine Stimme klang belegt.
Ich musste unwillkürlich lächeln. „Nein. Ich … hast du schon Nachrichten gesehen?“
Nash lachte heiser. „Ich habe heute noch nicht einmal aus dem Fenster gesehen.“ Durch die Leitung hörte ich etwas knarzen – anscheinend lag er noch im Bett.
Ich verscheuchte die anzüglichen Vorstellungen, die mir sofort kamen, und konzentrierte mich auf den Grund für meinenAnruf. „Schalt mal den Fernseher an.“
„Die neuesten Nachrichten können mir gestohlen bleiben …“ Wieder hörte ich die Bettfedern quietschen, und irgendetwas raschelte am Hörer.
Ich schloss die Augen und
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