Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele
zwar, den Pfannkuchen in Dreiecke zu schneiden, aber ich schob die Stücke nur im Sirup hin und her. Mir war der Appetit vergangen. Und Nash schien auch nicht sonderlich hungrig zu sein.
Irgendwann legte er die Gabel auf den Teller und räusperte sich so laut, dass ich ihn ansehen musste. „Ich kann dich nicht dazu überreden, oder?“ Ich schüttelte den Kopf.
Nash runzelte die Stirn, seufzte laut und rang sich dann ein schwaches Lächeln ab. „Magst du Gänse?“
Nach dem verpatzten Frühstück fuhren zu einer Bäckerei, wo Nash Brot vom Vortag kaufte. Anschließend fuhren wir zum White Rock Lake, um eine lautstark schnatternde, gierig pickende Gänseschar zu füttern. Ein paar von ihnen waren gefräßige Rabauken. Eine Gans klaute ein Stück Brot direkt aus meiner Hand und nahm fast meinen Finger mit. Eine andere hackte auf Nashs Schuh, als er nicht schnell genug für Nachschub sorgte.
Als nur noch Krümel in der Tüte waren, entwischten wir den Gänsen – mit knapper Not – und machten einen Spaziergang um den See. Der Wind blies mir das Haar ins Gesicht, und ich stolperte auf dem Bootssteg über ein loses Brett. Als Nash meine Hand nahm, zog ich sie nicht zurück. Schweigend gingen wir nebeneinander her. Doch es war ein angenehmes Schweigen.
Warum auch nicht? Er hatte in die schwarzen Abgründe meiner Seele geblickt und mich danach weder für verrückt erklärt – noch hatte er versucht, mich zu begrabschen.
Aber warum eigentlich nicht? Ich musterte Nash verstohlen, während er über den See blickte und gegen das Sonnenlicht blinzelte. War ich nicht hübsch genug?
Ich wollte ganz bestimmt nicht die Nächste auf seiner berüchtigten Liste werden. Allerdings hätte es nicht geschadet zu wissen, dass er überhaupt in Betracht zog, mit ihr etwas anzufangen.
Als Nash meinen Blick bemerkte, stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Im hellen Sonnenlicht wirkten seine Augen mehr grün als braun. Doch genau wie im Club schien sich die Iris irgendwie zu drehen. Wahrscheinlich waren es die Reflexe der glitzernden Wasseroberfläche. „Kaylee, kann ich dich mal was Persönliches fragen?“
Als wären Tod und Geisteskrankheit keine persönlichen Themen. „Nur wenn ich dich auch was fragen darf.“
Einen Moment schien Nash zu zögern, dann lächelte er, mit Grübchen, und drückte meine Hand. „Fang du an.“
„Hast du mit Laura Bell geschlafen?“
Nash blieb wie angewurzelt stehen und sah mich empört an.
„Das ist unfair! Ich hab dich auch nicht gefragt, mit wem du zusammen gewesen bist.“
Mir gefiel, dass ich ihn aus dem Konzept gebracht hatte. „Bitte, dann frag doch!“, antwortete ich schulterzuckend. Um die Liste meiner Eroberungen abzuhaken, brauchte ich nicht einmal einen Stift.
Nash machte ein finsteres Gesicht, ganz offensichtlich hatte er mit einer anderen Frage gerechnet. „Wenn ich Ja sage, wirst du dann sauer?“
Wieder zuckte ich die Schultern. „Es geht mich ja nichts an.“ „Warum fragst du dann?“
Das saß. „Okay, neue Frage“, murmelte ich beschämt und setzte mich wieder in Bewegung. Ich musste allen Mut zusammennehmen,um ihn etwas zu fragen, worauf ich vielleicht gar keine Antwort haben wollte. Aber ich musste es wissen, bevor ich ihn noch näher an mich heranließ. „Was tust du hier?“, fragte ich und hielt demonstrativ unsere ineinander verschränkten Hände hoch. „Was erwartest du dir davon?“
„Dass du mir vertraust.“
Das Blut rauschte mir in den Ohren, und ich unterdrückte mühsam ein albernes Grinsen. „Ist das alles?“, fragte ich und blinzelte zu ihm hoch. Selbst wenn das stimmte, musste es noch einen anderen Grund geben. Gespielt entrüstet runzelte ich die Stirn. „Bist du sicher, dass du keinen Sex willst?“
Nash grinste und zog mich an sich. Mit sanfter Gewalt drückte er mich gegen das Holzgeländer des Stegs, die Lippen wenige Zentimeter von meiner Nase entfernt. „Warum, hast du etwa Lust?“, fragte er mit tiefer Stimme.
Mein Herz klopfte wie verrückt, ich strich mit den Fingern über sein Shirt und spürte seinen muskulösen Rücken. Ihm so nah zu sein, seinen Duft zu riechen – einen kurzen Moment lang überlegte ich, wie es wohl wäre …
Dumpf landete ich wieder auf dem Boden der Tatsachen, und der Tagtraum war vorbei. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war, auf Nashs Abschussliste zu landen. Aber während ich noch überlegte, wie ich ihm das erklären konnte, ohne ihn zu vergraulen oder am Ende als verklemmt
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