Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele
diesen Tag beendet sei und wir heimgehen könnten, sobald unsere Eltern benachrichtigt worden seien. Zu diesem Zeitpunkt hatte auch das Blaulicht aufgehört zu blinken. Und obwohl es noch niemand laut ausgesprochen hatte, ahnten wir alle, was das bedeutete.
Wir saßen dicht beieinander und verfolgten, wie ein Schüler nach dem anderen ins Büro des Rektors gerufen wurde. Emmalehnte an meiner Schulter, ich kuschelte mich wiederum an Nash und suchte in seinem Geruch und seiner Wärme Trost. Ein paar Minuten später trat Mrs Tucker an die Tür und ließ den Blick über die anwesenden Schüler schweifen. Als sie mich sah, bahnte sie sich einen Weg an den Tischen vorbei zu uns herüber. Ich setzte mich auf und ließ mir von ihr auf die Füße helfen. Auch Nash und Emma sprangen auf, doch Tucker würdigte sie kaum eines Blickes.
„Die Tänzerinnen sind alle völlig aufgelöst, deshalb haben wir ihre Eltern zuerst angerufen. Die ganze Sache nimmt Sophie ziemlich mit. Deine Mutter möchte, dass du deine Schwester heimbringst.“
Ich seufzte und nahm dankbar wahr, dass Nash mich an der Hand nahm. „Sie ist meine Cousine“, entgegnete ich.
Mrs Tuckers Stirnrunzeln ließ keinen Zweifel daran, dass sie solche Details in diesem Moment für unwichtig hielt, womit sie auch recht hatte. Ich brachte es trotzdem nicht fertig, mich zu entschuldigen.
„Mach dir keine Sorgen um deine Bücher“, sagte sie streng. „Bring einfach nur Sophie nach Hause.“
Ich nickte und folgte der Trainerin zum Ausgang. „Wir sehen uns später“, rief ich über die Schulter. Emma lächelte schwach, und Nash zog nach einem kurzen Nicken sein Handy aus der Tasche.
Kaum war ich draußen im Flur, vibrierte mein Handy. Ich warf einen Blick auf das Display und sah, dass es eine SMS von Nash war.
Erzähl niemandem was. Ich werde es dir bald erklären.
Sekunden später bekam ich eine zweite SMS, bestehend aus einem einzigen Wort: Bitte .
Weil mir keine passende Antwort einfiel, steckte ich das Handy zurück in die Tasche. Mir würde sowieso niemand glauben, was passiert war. Aber die Vorahnungen waren real undsehr präzise. Ich hatte keine Wahl mehr, ich musste mein Schweigen brechen, um herauszufinden, ob es einen Weg gab, es beim nächsten Mal zu verhindern. Zumindest warnen wollte ich das nächste Opfer, und ihm eine Chance geben. Das war meine moralische Verpflichtung.
Außerdem hatte Nash mir erst vor Kurzem noch geraten, es meiner Tante und meinem Onkel zu erzählen.
„Kaitlin! Wir sind hier drüben!“ Ich blickte auf und sah Mrs Foley in der Eingangshalle stehen. Sie winkte mir zu. Hinter ihr saß Sophie im Kreis von sechs weiteren Mädchen unter einer riesigen Topfpflanze auf dem Boden. Sie alle hatten rotgeweinte Augen.
„Ich heiße Kaylee“, murmelte ich, als ich vor der Gruppe stehen blieb.
„Natürlich.“ Mrs Foley machte keinen Hehl daraus, dass sie sich nicht sonderlich für meinen Namen interessierte. „Ich habe mit deiner Mutter gesprochen …“ Diesmal machte ich mir nicht einmal mehr die Mühe, sie zu verbessern. „… und sie möchte, dass du Sophie direkt nach Hause fährst. Sie trifft euch dort.“
Ich nickte und ignorierte, dass sie die Hand mitleidig auf meine Schulter legte, so als wolle sie mir danken, weil ich diese ehrenvolle Aufgabe übernommen hatte.
„Bist du so weit?“, fragte ich an Sophie gewandt, die zu meiner Überraschung aufstand und ergeben nickte. Gemeinsam gingen wir hinaus und durchquerten den Innenhof, ohne dass Sophie auch nur ein einziges böses Wort fallen ließ.
Sie stand anscheinend wirklich unter Schock.
Auf dem Parkplatz angekommen, schloss ich das Auto auf und nahm hinter dem Steuer Platz. Sophie setzte sich auf den Beifahrersitz. Kaum dass sie die Tür zugezogen hatte, wandte sie sich mir langsam zu. In ihrer sonst so arroganten Miene spiegelte sich echter Kummer.
„Hast du es gesehen?“, fragte sie mit zitternder Stimme. Ihre Unterlippe bebte, und mir fiel auf, dass sie ausnahmsweise keinen Lippenstift trug. Wahrscheinlich hatte sie ihn zusammen mit denTränen und dem Großteil ihres Make-ups abgewischt. Sie sah fast … normal aus, und sie tat mir in diesem Moment richtig leid. Keine Spur mehr von der zickigen Art. Sophie wirkte verängstigt, verwirrt und traurig und brauchte jemanden zum Reden.
Jemanden wie mich.
Es tat weh zu wissen, dass ich nicht offen mit ihr reden konnte. Aber ich zweifelte keine Sekunde lang daran, dass Sophie nach dieser Episode wieder genauso
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