Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele
gemein zu mir sein würde wie sonst auch. Spätestens dann hätte ich meine Offenheit bereut.
„Was gesehen?“, fragte ich also seufzend, während ich den Rückspiegel so einstellte, dass ich sie während der Fahrt im Auge behalten konnte.
Meine Cousine verdrehte die Augen, und für einen Augenblick blitzte ihre übliche Ungeduld auf. „Meredith natürlich! Hast du gesehen, was passiert ist?“
Ich drehte den Zündschlüssel und spürte, wie das Lenkrad unter meinen Händen vibrierte, als der Motor des kleinen Pontiac Sunfire ansprang.
„Nein.“ Und ich war heilfroh, die große Show verpasst zu haben. Die Vorschau hatte mir mehr als gereicht.
„Es war schrecklich.“ Sophie starrte mit leerem Blick auf die Straße, während ich mich anschnallte und den Wagen vom Parkplatz lenkte. „Wir wollten ein bisschen vor Scott und den anderen Jungs angeben und haben getanzt. Die schwierigste Stelle war schon vorbei, auch der Teil, bei dem Laura normalerweise aus dem Takt kommt …“
Ich hatte keine Ahnung, worum es ging, also ließ ich sie reden. Es schien ihr gutzutun, und mir tat es nicht weh.
„… und als wir fast am Ende angelangt waren, ist Meredith einfach umgefallen. Sie ist ganz schlaff geworden, wie eine Puppe, und auf den Boden gefallen.“
Ich umfasste das Lenkrad so fest, dass es mir schwerfiel, den Blinker zu setzen. Nach dem Stoppschild bog ich rechts ab und atmete erleichtert auf, als die Schule – der Ort meiner letztenVorahnung – endlich außer Sicht war. Sophie plapperte weiter. Sie machte ihrem Kummer Luft, ohne zu bemerken, wie unwohl ich mich fühlte.
„Ich hab erst gedacht, sie wäre ohnmächtig geworden. Von dem bisschen, was sie isst, könnte man nicht einmal einen Hamster ernähren, weißt du?“
Das hatte ich nicht gewusst. Schließlich beschäftigte ich mich normalerweise nicht mit den Essgewohnheiten der Tanztruppe. Aber wenn Merediths Appetit nur annähernd so klein war wie der meiner Cousine – oder auch der meiner Tante, um genau zu sein –, erschien mir Sophies Vermutung völlig plausibel.
„Aber dann haben wir gemerkt, dass sie sich nicht bewegt hat. Sie hat nicht mehr geatmet!“ Sophie schwieg kurz, und ich genoss diesen kurzen Moment der Stille wie den ersten Atemzug nach einem langen Tauchgang. Ich fühlte mich schon ohne die minutiöse Beschreibung des Todesfalls, den ich nicht hatte verhindern können, schuldig genug. Aber Sophie redete schnell weiter: „Peyton glaubt, dass sie einen Herzinfarkt hatte. Mrs Rushing hat uns im Biounterricht letztes Jahr erzählt, dass das Herz aufhören kann zu schlagen, wenn man den Körper zu sehr anstrengt und nicht genug isst. Einfach so.“ Sie schnippte zur Veranschaulichung mit den Fingern, wobei ihr Glitzer-Nagellack in der Sonne funkelte. „Meinst du, das war der Grund?“
Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass die Frage nicht rhetorisch gemeint was. Sophie fragte mich tatsächlich nach meiner Meinung, und das ohne sarkastisch zu werden.
„Ich weiß es nicht.“ Beim Abbiegen warf ich einen Blick in den Rückspiegel und erspähte Tante Vals Auto hinter uns. „Vielleicht.“ Das war eine dreiste Lüge. Meredith Cole war schon der dritte Teenager, der innerhalb der letzten drei Tage ohne Vorwarnung tot zusammengebrochen war. Auch wenn ich meine Zweifel nicht offen zum Ausdruck brachte – zumindest noch nicht –, konnte ich mir nicht länger einreden, dass die Todesfälle nicht zusammenhingen.
Nashs Zufallstheorie war einfach nicht haltbar.
Ich hielt in der Auffahrt und ließ Tante Val an uns vorbei in die Garage fahren. Noch bevor ich den Motor ausstellen konnte, war Sophie aus dem Wagen gesprungen und rannte weinend auf ihre Mutter zu. Es war fast, als hätten sich durch Vals mitleidigen Blick bei Sophie alle Schleusen geöffnet.
Nachdem ich das Garagentor geschlossen hatte, folgte ich ihnen ins Haus. Ich brachte Sophies Tasche mit. Währenddessen führte Tante Val ihre schluchzende Tochter in die Küche und drückte sie auf einen der Barhocker. Unter Tränen stammelte Sophie einen Haufen unzusammenhängendes Zeug, unterbrochen von lautem Schluchzen, und wischte sich mit einem Taschentuch immer wieder Wangen und Nase ab.
Tante Val schien sich für die Details nicht sonderlich zu interessieren. Wahrscheinlich hatte sie das meiste schon von Mrs Foley erfahren. Während ich mir eine Dose Cola genommen und mich an den Tisch gesetzt hatte, war sie geschäftig durch die Küche gewuselt, hatte Tee gekocht und
Weitere Kostenlose Bücher