Soulbound (Ghostbound) (German Edition)
Möglicherweise hatte Vincenzo aber auch einfach nur schlechte Laune, dachte sie mit einem innerlichen Schulterzucken und trat mit Daniel auf die Straße hinaus.
„Also bis später, Baby“, sagte er und küsste sie, als würden sie sich für Monate trennen, und nicht nur für eine Stunde. „Ich warte auf der Spanischen Treppe auf dich.“
„Ich beeil mich“, versprach Elizabeth und setzte, wie sie es immer tat, einen kleinen Kuss auf seine Lippen nach. Dann drehte sie sich um und ging die kopfsteingepflasterte Gasse hinunter.
Als sie sich schon einige Schritte entfernt hatte, rief Daniel ihr noch nach: „Und wehe du kommst als Blondine wieder!“
„Nein, nein“, lachte sie. „Ich lasse sie mir nur ganz kurz schneiden. Ist praktischer!“
Einige Straßen weiter fand Elizabeth einen Salon, der ihr zusagte und in dem man sie auch nicht wieder wegschickte, weil sie vorab keinen Termin vereinbart hatte. Während sie in einem pinken Kunstledersessel am Fenster wartete, bis sie dran war, blätterte sie durch Klatschmagazine und hörte dem italienischen Geschnatter um sie herum zu. Auch wenn sie kein Wort verstand, so war für sie allein der Klang der Sprache Genuss pur. Einfach bellissimo . Wenn sie wieder zu Hause waren, würde sie auf alle Fälle Stunden nehmen.
Unversehens schaltete sich das Radio ein, das nur wenige Schritte von Elizabeth entfernt in einem Regal stand und spielte ohrenbetäubend laut Rockmusik. Alle anwesenden Damen im Salon, inklusive Elizabeth, machten vor Schreck einen kleinen Satz und starrten auf das Gerät, das ein paar Mal den Sender wechselte, bevor es sich wieder abschaltete.
Während die anderen Frauen sich einen Moment später lachend und kopfschüttelnd abwandten und wieder ihren Tätigkeiten nachgingen, legte Elizabeth argwöhnisch den Kopf auf die Seite und sah sich aufmerksam im Laden um. Tatsächlich! Hin und wieder flackerten die Deckenstrahler, gleichzeitig schaltete sich eine Trockenhaube ein und wieder aus. Und hatte ihr da nicht eben ein verdächtiger kühler Lufthauch, fast wie eine zarte Berührung, eine Gänsehaut verpasst? Ja, ganz eindeutig. Jetzt krampfte sich auch ihr Magen leicht zusammen, und sie verspürte den irrationalen Drang schleunigst den Salon zu verlassen. Elizabeth erkannte die Anzeichen: Hier im Salon war ein Geist, ein erregter, wenn nicht gar wütender Geist.
Und da heißt es immer, England sei das Land mit der höchsten Geisterdichte , dachte Elizabeth schmunzelnd. Dabei wurden in Italien sogar die Frisörsalone bespukt.
Ein hübsches junges Ding mit stacheligen blonden Haaren kam auf sie zu und bedeutete ihr, dass sie nun an der Reihe war und ihr folgen sollte. Sie führte Elizabeth zu einem freien Stuhl vor einem Spiegel und fragte in brüchigem Englisch nach ihren Wünschen. Mit Händen und Füßen erklärte Elizabeth, dass sie lediglich die Spitzen geschnitten und ihre dunklen Locken wieder in Form gebracht haben wollte. Als sie dann nach der Haarwäsche wieder am Spiegel saß und sich die Frisörin mit flinken Fingern um ihre Haarspitzen kümmerte, beobachtete Elizabeth besorgt, wie der Geist immer aufgebrachter wurde. Die Lampen flackerten jetzt ununterbrochen und die Föne und Trockenhauben gingen ständig an und aus.
Die Damen im Salon lachten nun nicht mehr, sondern wirkten ziemlich ratlos und wurden immer nervöser. Als Höhepunkt verabschiedete sich schließlich der PC am Empfang mit einem dumpfen Knall und einer kleinen traurigen Rauchwolke, woraufhin die Empfangsdame hinter der Theke entsetzt aufkreischte, einen Satz nach hinten machte und sich bekreuzigte.
Dann spürte Elizabeth wieder eine körperlose Berührung am Arm, die ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Fast wäre sie aus ihrem Stuhl hoch gefahren, doch sie umgriff fest die Armlehne, atmete tief durch und gemahnte sich zur Ruhe. Immerhin war es nur ein Geist. Eine arme Seele, einsam und frustriert darüber, mit niemanden in Kontakt treten zu können. Vielleicht sollte sie später mit Daniel zurückkommen, um mit dem Geist zu reden. Da zersprang der Spiegel vor ihr und tausend feine Risse zogen sich durch die polierte Oberfläche, die ihr schockiertes Gesicht darin zu einer grotesken, zersplitterten Fratze verzerrten.
Im zerbrochenen Spiegel sah Elizabeth, dass die blonde Frisöse kreidebleich ans Waschbecken zurückgewichen war, die Augen weit aufgerissen und die Schere fest an ihre Brust gedrückt.
Elizabeth seufzte. Das war es dann wohl gewesen, mit ihrem
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