Soulbound (Ghostbound) (German Edition)
Büchlein hervor.
„Einen Versuch ist es vermutlich wert“, brummte Daniel. „Wir sollten uns dafür aber an einen ruhigeren Platz zurückziehen.“
„In ein Café?“
„Ich dachte eher an unser Zimmer.“
Also begaben sie sich zu dritt zurück in die Pension. Im Foyer war niemand zu sehen, aber aus dem Raum hinter dem Empfangstresen waren Geräusche zu hören, als würde jemand Möbel verrücken. Schweigend gingen sie hinauf ins Mansardenzimmer, wo das Bett bereits gemacht und die Handtücher ausgetauscht worden waren.
Ausgestattet mit Papier, Bleistift und dem Wörterbuch setzte sich Elizabeth an den antiken Sekretär, bereit, Vincenzos Botschaft aufzunehmen und zu übersetzen. Daniel stand mit seinen Händen auf ihren Schultern hinter ihr, während Vincenzo rastlos im Zimmer auf und ab ging.
„ Allora “, sagte der Geist schließlich. „ Carla … é … iniqua .“ Er sprach bemüht deutlich und unterstrich jedes Wort mit einer Geste seiner rechten Hand.
Elizabeth blätterte durch das Wörterbuch. „Iniqua … iniquqa … Hier!“ Sie tippte auf das Wort. „Böse. Boshaft. Bösartig.“
„Carla ist böse?“, fragte Daniel verblüfft nach und sah dabei über die Schulter Vincenzo an.
„ Si ! Böse!“, bestätigte der grauhaarige Mann. „ E esosa .“
„Esosa … „ Elizabeth suchte das Wort. „Geizig? Nein … Hier, habgierig! Sie ist böse und habgierig!“ Sie schielte zu Daniel hinauf. „Das ist jetzt nicht wirklich eine Neuigkeit.“
Auf diese Weise machten sie weiter, doch die Kommunikation gestaltete sich zäher und zäher. Viele Wörter ließen sich nicht im Wörterbuch finden, entweder, weil sie in dem kleinen Büchlein nicht enthalten waren oder weil die Schreibweise zu sehr vom Klang des Wortes abwich. Vincenzo bemühte sich zwar einfache Sätze zu bilden, doch manchmal erschloss sich ihnen einfach nicht der Sinn.
Nach etwa einer Stunde hatten sie von Vincenzo lediglich erfahren, dass Carla die Tochter seines ebenfalls verstorbenen Bruders Luca war und erst seit ein paar Wochen hier in der Pension arbeitete. Sie war gekommen, nachdem Vincenzo gestorben war. Wie er gestorben war, hatten sie allerdings nicht verstanden. Carla hatte ihrer Tante Rosa Hilfe angeboten, doch Vincenzo war der Meinung, der eigentliche Grund ihres Auftauchens war die Suche nach Geld.
„Was soll das bedeuten?“, fragte Elizabeth. „Dass sie Rosa die Pension abluchsen will, um damit reich zu werden? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das hier eine Goldgrube ist.“
„So kommen wir nicht weiter.“ Kopfschüttelnd massierte sich Daniel die Nasenwurzel. „Wie wäre es, wenn wir Vincenzos Worte aufnehmen? Ich meine, wir wiederholen einfach Wort für Wort, was er sagt, und zeichnen es auf. Dann spielen wir es jemanden vor und lassen es uns übersetzen.“
„Das würde wahrscheinlich funktionieren. Nur können wir Vincenzo dann keine Fragen stellen“, gab Elizabeth zu bedenken. Sie seufzte und senkte ihren Blick auf das Wörterbuch, denn bei dem, was sie gleich aussprechen würde, wollte sie Daniel nicht ansehen. „Du weißt, dass es noch eine andere Möglichkeit gibt“, flüsterte sie. „Eine Möglichkeit, einen richtigen Dialog mit ihm zu führen.“ Als ihr nur Schweigen antwortete, sah sie ihm doch ins Gesicht, über dem auf einmal ein grauer Schleier zu liegen schien. „Hamilton sprach fließend Italienisch, nicht wahr?“
„Das ist keine Option.“ Daniels Stimme klang leise und gepresst.
Elizabeth erhob sich aus dem Holzstuhl, drehte sich langsam um und legte die Hände flach auf Daniels Brust. Unter ihren Fingern spürte sie seinen beschleunigten Puls. „Es ist doch nur kurz, Danny. Und die Alpträume werden auch dieses Mal wieder verschwinden.“ Sie hob eine Hand und strich über seine raue Wange. „Du hast selbst gesagt, dass wir so nicht weiterkommen.“
„Es hat über einen Monat gedauert, bis ich Hamiltons Erinnerungen vollständig wegsperren konnte“, hielt er dagegen. „Es ist verdammt schwierig, sie unter Kontrolle zu halten. Wenn ich den Safe in meinem Kopf jetzt wieder öffne …“ Er sprach nicht weiter, sondern schüttelte nur den Kopf.
Elizabeth war sich sehr wohl bewusst, was sie Daniel da eben vorgeschlagen hatte und sie hasste sich dafür, es auf den Tisch gebracht zu haben. Immerhin hatte sie miterlebt, wie er wochenlang unter den grausigen Flashbacks und Alpträumen gelitten hatte.
In der Zeit kurz nach den schicksalshaften Ereignissen auf Camley Hall,
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