Soulbound (Ghostbound) (German Edition)
Haarschnitt. Sie erhob sich, nahm den pinken Plastikponcho ab und legte ihn über den Stuhl. Keine der aufgelösten Frauen um sie herum schien Notiz von ihr zu nehmen, als sie zum Empfang ging, zwanzig Euro auf den Tresen legte und den Laden verließ.
Es war ein bedeckter Tag und dank der nassen Haare fröstelte sie, sobald sie im Freien war. Sie zog ihre fast knielange graue Strickjacke an und machte sich eilends auf den Weg zur Piazza di Spagna.
Daniel wartete bereits wie versprochen auf der Spanischen Treppe. Mit einer Flasche Wasser in der Hand saß auf den Stufen und grinste ihr breit entgegen. Doch dann wich das Lächeln einem äußerst irritierten Gesichtsausdruck.
Vermutlich wundert er sich, warum ich mit nassen Haaren unterwegs bin , dachte Elizabeth.
Er stand auf, und sobald sie in Hörweite war, sagte er ernst: „Erschrick jetzt nicht, Liz.“
Elizabeth blieb keine Zeit, sich zu fragen, was seine kryptische Begrüßung bedeuten mochte, denn er streckte einen Arm aus, nahm ihre Hand … Und ein aufgeregter italienischer Wortschwall donnerte auf sie ein, wie Maschinengewehrfeuer. Sie zuckte zurück, gleichzeitig fuhr sie zur Seite herum und sah sich Nase an Nase dem grauhaarigen Mann aus der Pension gegenüber. Vor Schreck stolperte sie rückwärts von der Stufe und wäre fast gestürzt, hätte Daniel sie nicht sofort aufgefangen und gestützt.
„Was… Wo…“, stammelte sie und sah verdattert zwischen dem Geist und Daniel hin und her. „Er… er ist mir gefolgt“, erkannte sie schließlich. „Von der Pension in den Salon… Und dann hierher.“
Der Geist, Vincenzo, redete weiter wild gestikulierend auf sie ein, bis Daniel energisch eine Hand hob und sagte: „Hey! Wir verstehen Sie nicht!“ Er schüttelte den Kopf und hob die Schultern. „ Non capisco! Okay?“
Jetzt ruckte Vincenzos Kopf zu Daniel und er sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Dann blickte er wieder zu Elizabeth, sagte etwas, ruhiger diesmal und wedelte mit einer Hand.
„ Non capisco “, wiederholte Elizabeth entschuldigend.
Vincenzo schloss die Augen und schien in sich zu gehen. Dann sagte er: „Du … und du … könnt sehen … und… und hören.“ Dabei zeigte er auf seine Augen und Ohren.
„Ja“, bestätigte Daniel. „Wir können Sie sehen und hören.“
„Ich allerdings nur, wenn ich Danny berühre“, erklärte Elizabeth und hob zur Veranschaulichung ihre Hand, die Daniels fest umschloss. „Deshalb konnte ich sie vorhin im Salon auch nicht sehen.“ Ein Licht ging ihr auf. „Darum wurden Sie so wütend, nicht wahr? Weil ich nicht mehr auf sie reagierte, nachdem ich Sie in der Pension angesprochen hatte. Sie dachten, ich ignoriere Sie. Es tut mir so leid, mir war nicht klar, dass Sie … naja, dass Sie tot sind. Sie sehen für uns nämlich sehr lebendig aus, wissen Sie.“
Elizabeths Ausführung überstieg meilenweit Vincenzos Sprachkenntnisse, das war ihm deutlich anzusehen. Frustriert schüttelte er den Kopf. Dann sagte mit eindringlichem Blick: „Hilfe. Bitte!“
„Sie brauchen unsere Hilfe?“, vergewisserte sich Daniel, woraufhin Vincenzo eifrig nickte.
„Wobei?“, fragte Elizabeth.
„Rosa …“, sagte Vincenzo, „Carla …“ Er schien verzweifelt nach den richtigen Vokabeln zu suchen. Sein Mund öffnete und schloss sich, und seine Hände bewegten sich, als wollten sie die Worte aus der Luft pflücken. Doch alles, was er herausbrachte, war ein weiterer italienischer Wortschwall.
„Wir brauchen einen Übersetzer“, meinte Elizabeth seufzend. „Vielleicht Carla?“
„Wie stellst du dir das vor? Sollen wir ihr jedes einzelne Wort weitergeben?“
„Ich habe wochenlang deine Worte weitergegeben …“
„Ja, aber in der Regel an Leute, die wussten, dass ich da war“, gab Daniel zu bedenken. „Und vor allem: Du hast verstanden, was ich sagte!“
„Zumindest das Meiste davon“, murmelte Elizabeth. Lauter sagte sie: “Carla ist seine Nichte. Wir können ihr doch behutsam beibringen, dass Vincenzo mit ihr sprechen möchte. Und wenn er langsam und verständlich spricht …“
Vincenzo fiel Elizabeth ins Wort. „Carla … no, no, no! Impossibile!“ Er schüttelte heftig den Kopf und gestikulierte verneinend.
Daniel zog eine Braue nach oben. „Er ist wohl dagegen.“
„Danke, Sherlock. Das wäre mir so nicht aufgefallen“, erwiderte Elizabeth augenrollend. „Dann vielleicht mit Hilfe des Wörterbuchs?“ Sie kramte in ihrer Umhängetasche und holte das kleine rote
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