Soulbound (Ghostbound) (German Edition)
von Chris empfohlen worden war, da er von Touristen weitgehend unbeachtet blieb. In einem rustikalen Fischrestaurant gönnten sie sich fangfrische Krabben und hatten einen Heidenspaß dabei, sich mit Hilfe von herkömmlichen Heimwerkerzangen eine Schlacht mit den tellergroßen Krustentieren zu liefern. Den restlichen Nachmittag verbrachten sie dann am fast menschenleeren Sandstrand und ließen sich aneinander gekuschelt die salzige Pazifikbrise um die Nase wehen. Sie brachen erst auf, nachdem die Sonne - von einem spektakulären Farbenspiel begleitet - hinter dem Horizont verschwunden war und es sofort unangenehm kühl wurde.
Sie fuhren direkt zurück ins Hotel, machten sich frisch und wechselten ihre sportlichen Klamotten gegen salonfähigere Kleidung. Dann fuhren sie zu der Adresse in Pacific Heights, die Chris ihnen genannt hatte. Als sie dort ankamen, hätte Elizabeth in dem jungen Mann, der vor dem eisernen Gartentor auf sie wartete, fast nicht den Schlagzeuger vom Vorabend erkannt. Statt Jeans und schwarzem T-Shirt mit schrillem Aufdruck, trug er Khakihosen und ein gestärktes blaues Hemd. Auch seine blondierten Haare standen nicht wie kleine Stacheln vom Kopf ab, sondern lagen glatt getrimmt am Kopf an. Kurzum, er sah nicht länger aus wie ein Musiker, sondern wie ein strebsamer, braver College-Student.
„Hi, Leute. Da seid ihr ja“, begrüßte er Daniel und Elizabeth. Er wirkte nervös und verlagerte ständig das Gewicht von einem Fuß auf den anderen.
Elizabeth ließ ihren Blick über das Anwesen schweifen. Das Haus war ein Schmuckstück im Queen Anne Stil. Es bestand komplett aus Holz, war hellblau gestrichen und hatte weiße Fensterrahmen und Türen. Auch die Geländer und die filigranen Säulen der Veranden, die sich im Erdgeschoss und ersten Stock um das Haus wanden, erstrahlten in jungfräulichem Weiß. Neben verspielten Erkern gab es sogar ein Türmchen, aus dessen Spitze eine gusseiserne Wetterfahne ragte. Umgeben wurde das Haus von einem etwas verwilderten Garten, was jedoch den verzauberten Eindruck des Anwesens nur noch verstärkte.
Auch Daniel zeigte sich sichtlich beeindruckt. „Großartiges Haus“, sagte er. „Und erst diese Aussicht.“ Tatsächlich lag das Haus auf einer Hügelkuppe, wodurch man selbst von der Straße aus einen fantastischen Blick bis hinunter zur Bucht hatte. „Wie kommt man zu so was?“
„Es ist seit den Dreißigern in Familienbesitz“, erklärte Chris, während er das Gartentor öffnete und es für Daniel und Elizabeth aufhielt. „Mein Ur-Großvater hat es dem ursprünglichen Besitzer, einem Mr William Erhardt, praktisch für einen Apfel und ein Ei abgekauft. Erhardt, hatte nämlich beim großen Börsencrash sein Vermögen verloren und war dadurch zum Verkauf gezwungen. Aber es heißt noch heute Erhardt House.“
„Tja, des einen Pech, des anderen Chance“, sagte Elizabeth mehr zu sich selbst, doch Chris hatte sie gehört und sah beinahe beschämt zu Boden. Fast, als plagte ihn ein schlechtes Gewissen, weil sein Ur-Großvater vor achtzig Jahren aus der Notlage anderer Kapital geschlagen hatte.
Chris ging die Verandastufen hinauf zur Haustür und klingelte.
Nur einen Moment später war von drinnen eine Frauenstimme zu hören. „Einen Moment!“ Es piepste ein paar Mal, dann folgte ein langgezogener Signalton, begleitet von einem unterdrückten Fluchen. Dann abermals Piepsen. Schließlich wurde die Tür von einer älteren Dame geöffnet.
Erwartet hatte Elizabeth eine rundliche Frau mit ergrautem Haar und altmodischer Kleidung. Eben ein altjungferliches Tantchen. Doch Chris´ Tante Abby war schlank und hatte kastanienbraunes Haar, das in einer adretten Kurzhaarfrisur geschnitten war. Bekleidet war sie mit einer ausgebeulten Jeans und einem grau-weiß-karierten Holzfällerhemd, dass sie offen über einem gelben T-Shirt trug. Sie schien sich ehrlich über den Besuch ihres Neffen zu freuen.
„Christopher!“, rief sie. „So eine nette Überraschung.“ Ihre grünen Augen wanderten zu Elizabeth und Daniel, die hinter Chris auf der Veranda standen. „Du hast Besuch mitgebracht?“
„Ja, Tante Abby. Das sind Freunde aus England. Elizabeth und David.“
Daniel trat vor und streckte die Hand aus. „Schön, Sie kennenzulernen, Miss Belford.“
„Bitte, nennen Sie mich Abby.“ Freundlich lächelnd schüttelte sie erst Daniel die Hand und dann Elizabeth, die sagte:„ Sie haben ein ganz wundervolles Haus, Abby. Wirklich bezaubernd.“
„Vielen Dank“,
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