SOULMATE (German Edition)
sah sich die Aufkleber aus der Nähe an. Ich umfasste peinlich berührt meine Nase. »Ja, ich weiß, aber ich wollte sie nicht abmachen, die … die kleben zu fest am Holz.«
»Bist du auch mal in solchen Klamotten rumgelaufen, ich mein, so schwarz und düster und mit dick geschminktem Gesicht und knallroten Lippen, wie die hier?« Er zeigte auf das Bild eines schlanken, blassen Mädchens mit hüftlangen, schwarzen Haaren, in einem langen, schwarzvioletten Samtkleid, mit schwarzen, bis über die Ellbogen gezogenen Glanzhandschuhen, die Augen mit Kajal dunkel umrandet, die Lippen blutrot und über den Rand geschminkt.
»Hm, okay, ich geb‘ s zu, bin ich, aber das ist ewig her, fünf Jahre fast, hat Spaß gemacht damals. Es ging nur um den Look. Ich hatte eine schöne Teenie-Zeit.«
Das hatte ich wirklich, und meine Gothic-Phase wollte ich nicht missen.
Auf einen Schlag änderte sich Finns Gesichtsausdruck, ernst und unergründlich nickte er mir zu, sah mich dabei wie gebannt an, dass ich völlig irritiert war.
»Was ist? Habe ich was Falsches gesagt?«
Doch er antwortete nicht, fixierte mich weitere endlose Sekunden ganz eigenartig und kam plötzlich mit zwei großen Schritten auf mich zu, dass ich beinah aus Reflex zurückgewichen wäre. Aber bevor ich in irgendeiner Form reagieren konnte, packte er mich an den Armen und zog mich mit voller Kraft dicht an sich heran, um … um mich zu küssen …
Er küsste mich so leidenschaftlich, dass ich nicht anders konnte, als es geschehen zu lassen und es schließlich zu genießen. Als er mich wieder losließ, taumelte ich rückwärts und ließ mich auf das Bett plumpsen.
»Wow, du hast es echt drauf, mich aus den Socken zu hauen!«, keuchte ich.
Er setzte sich neben mich, nahm meine Hand ganz sanft zwischen seine und strahlte mich mit den schönsten Augen, die ich je im Leben gesehen hatte, an, lächelte dabei sein Verführerlächeln und flüsterte: »Ich wünschte, wir wären jetzt ganz allein.«
Meine Ohren glühten! Ich spürte, wie mein Herz vor Freude und Aufregung aus dem Takt geriet und mein ganzer Körper sich nach seinem sehnte. Natürlich war es undenkbar, dass wir hier und jetzt miteinander schliefen, was wir beide wussten. Außerdem hatten wir immer noch keine verdammten Kondome.
Und dann rief meine Mutter laut nach uns, wir sollten jetzt herunterkommen, da der Tisch gedeckt sei und sie das Essen servieren wolle. Also sprangen wir auf und taten ihr den Gefallen. Allerdings hatte ich immer noch keinen richtigen Hunger.
Noch so ein eindeutiges Zeichen , dachte ich vergnügt.
»Seit wann sind Sie denn in Berlin, Herr Flanagan? Wohnen Sie hier oder halten Sie sich nur vorübergehend hier auf?«, begann meine Mutter, während sie den duftenden Braten gekonnt tranchierte und jedem eine perfekte Scheibe auf den Teller legte. Ich senkte gleich den Blick, weil ich ihre Anrede schon missglückt fand: »Herr Flanagan«, wie blöd klang das denn? Mir war klar, dass sie vor Neugier brannte. Mein Vater, der wohl noch keinen Rededrang verspürte, machte beim Anblick seines Bratenstücks freudestrahlende Augen, goss zufrieden etwas von der dunklen Soße drüber und wartete gespannt auf Finns Antwort, was ich unschwer an seinen flüchtigen Blicken in alle Richtungen erkennen konnte. Tja, ich kenne schließlich meine Pappenheimer.
Ich hoffte zutiefst, dass unsere Tischunterhaltung angenehm und entspannt verlaufen würde, wusste aber aus unvergesslicher Erfahrung, dass dies bei meinen Eltern, besonders bei meiner schonungslos direkten Mutter keineswegs garantiert war.
Finn räusperte sich und sagte in einem freundlichen Tonfall: »Bitte duzen Sie mich doch.«
Meine Mutter setzte sich mit einem vieldeutigen Schmunzeln auf ihren Platz und wünschte allen einen guten Appetit.
»Gerne«, antwortete sie schließlich. Ich sah sie besorgt von der Seite an, während ich meinen Bissen kaute.
»Dann duzen wir uns natürlich alle.« Sie lächelte in die Runde und blickte fragend zu Finn.
»Ich wohne erstmal für eine Weile in Berlin. Ich war vorher einige Monate in London, hab dort Lenny getroffen …« erzählte Finn bereitwillig.
Mit vollem Mund warf ich ein: »Du weißt doch Mama, Lenny war in England letzten Herbst!«
»Ah ja«, machte meine Mutter und signalisierte Finn mit einem konzentrierten Blick, dass er weiter erzählen konnte.
»Ich bin mit Lenny spontan nach Berlin gekommen, hatte das aber schon lange vorgehabt. Als Kind habe ich mal eine Zeitlang hier
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