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Souvenirs

Souvenirs

Titel: Souvenirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foenkinos
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dass die Einsamkeit im Anzug war. Wie seine beiden älteren Brüder würde Michel ab und zu spontan vorbeischauen, zum Wäschewaschen oder zum Essen. Und mit der Zeit würde er anfangen anzurufen, um seine Besuche anzukündigen. Bevor er schließlich schon Tage im Voraus «Abendessen mit Eltern» in seinen Kalender schreiben würde, wenn er sich vornahm, zu ihnen zu kommen.
     
    Meine Großeltern beschlossen daher, in eine kleinere Wohnung zu ziehen. «Diese leer stehenden Zimmer, so eine Platzverschwendung.» Ich glaube, sie wollten vor allem dem täglichen Anblick der Vergangenheit entrinnen, den Zimmern voller Gefühle und Erinnerungen. Orte haben nämlich ein Gedächtnis, mehr noch: Orte überdauern das Gedächtnis. Glücklich in der neuen Wohnung eingerichtet, wirkten sie beinahe wie ein junges Pärchen, das das Leben noch vor sich hatte. Weit gefehlt, vor ihnen lag lediglich der Lebensabend. Sie zogen in den Kampf gegen die Zeit. Ich machte mir oft Gedanken darüber, wie sie ihre Tage verbrachten. Sie gingen nicht mehr arbeiten, die Kinder besuchten sie eher selten, die Enkelkinder noch seltener. Auch gesellschaftliches Leben fand kaum statt, wochenlang kam es fast vollständig zum Erliegen, und wenn das Telefon läutete, dann meist, wenn jemand Kunden zu werben versuchte. Es ist durchaus möglich, im Alter ein Konsuminteresse aufrechtzuerhalten. Aber ich fragte mich, ob meine Großmutter sich letztlich nicht freute, wenn sie mit Fragenbedrängt wurde. Mein Großvater verlor die Fassung: «Leg den Hörer auf! O nein! Warum erzählst du ihm dein ganzes Leben?» Er hüpfte um sie herum, wurde ganz rot. «Sie macht mich wahnsinnig, sie macht mich wahnsinnig, ich halt das nicht mehr aus.» Die routinemäßig gereizte Stimmung zwischen ihnen faszinierte mich immer, und es dauerte seine Zeit, bis ich diesem Melodram das Spielerische abgewinnen konnte. Sie gerieten in Streit, warfen sich böse Blicke zu, aber nie verbrachte einer der beiden auch nur einen Tag ohne den anderen. Die Gebrauchsanweisung für die Unabhängigkeit kannten sie nicht. Doch ihre Auseinandersetzungen steigerten ihre Vitalität. Wer in einer harmonischen Ehe lebt, stirbt bestimmt früher.
     
    Dann veränderte sich alles aufgrund einer Kleinigkeit. Mit Kleinigkeit ist eine Toilettenseife gemeint. Mein Großvater hatte den Krieg überlebt. Er war schon in den ersten Kampftagen von einem Granatsplitter verwundet worden. Wenige Meter von ihm entfernt starb zerfetzt sein bester Freund. Der berstende Körper dieses Soldaten dämpfte die Wirkung des Einschlags auf meinen Großvater und gab ihm die Deckung, die ihn benommen, aber unversehrt zurückbleiben ließ. Ich denke öfter mal an diese Granate, die meinen Großvater um ein Haar getötet hätte. Die Atemzüge meiner Stunden, die Schläge meines Herzens, all dies verdankt seine Existenz nur einigen wenigen Metern. Vielleicht sogar nur einigen wenigen Zentimetern. Manchmal, wenn ich glücklich bin und eine Schweizerin oder eine mauvefarbene Landschaft betrachte, fällt mir der Neigungswinkel des Geschossesein, ich vergegenwärtige mir jede Einzelheit, die den deutschen Soldaten letztlich dahin gebracht hatte, seine Granate genau in diesem Augenblick und nicht eine Sekunde früher oder später abzufeuern und genau dahin zu zielen, wo er schließlich hingezielt hatte, ich halte mir die Präzision des Wahnsinns vor Augen, dem mein Dasein geschuldet ist. Und ich halte mir vor Augen, dass mein Großvater in diesem Krieg war, überlebte und froh war, als diese Schinderei, in der er keinen Sinn sah, ein Ende hatte.
    Ich komme auf diese Kleinigkeit zurück, die macht mich nämlich rasend. Ein einfacher Sturz, und alles fiel zusammen. Ein paar Millimeter reichten aus, um meinen Großvater in die Sphären des Untergangs zu treiben. Ausgerutscht auf einer Toilettenseife in der Dusche. (Ich lasse mir das Wort auf der Zunge zergehen: «Toilettenseife»). Ein Schädel- und ein doppelter Rippenbruch. Ich habe ihn gesehen damals, er fühlte sich ganz schwach, aber ich glaubte, er würde wieder auf die Beine kommen, alles würde werden wie zuvor. Aber nichts wurde wieder wie zuvor. Ein körperliches Gebrechen reihte sich an das andere, bis zum letzten Tag. Am Anfang fühlte ich mich sehr unwohl, wenn ich ihn besuchen kam, ich konnte es nicht ertragen, ihn so verwundet zu sehen. Und er konnte unsere Besuche nicht ertragen, wenn wir inbrünstig lächelnd um sein Krankenbett herumstanden. Er wollte nicht geliebt, wollte

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