Souvenirs
Wie ich schon sagte, meine Großmutter und ich sind große Bewunderer ihres Œuvres. Wir kennen es zwar nicht vollständig …»
«…»[ ∗ ]
«Aber wir kennen Ihr Bild von der Kuh … Es mag Ihnen vielleicht etwas übertrieben vorkommen … aber man muss sagen, dieses Bild hat für uns eine Art Kultstatus erlangt …»
«…»
«Die Sache ist die … das Bild hängt unweit der Wohnung meiner Großmutter … und … und …»
«Bitte kommen Sie herein», sprach der Maler.
Wir folgten ihm in ein minimalistisch eingerichtetes Wohnzimmer, in dem lediglich ein verlassen anmutendes Kanapee stand, das dort prangte wie ein ausgesetztes Kind. Er sagte, er würde etwas aus dem Schlafzimmer holen gehen. Wir schauten uns schweigend an, dann platzten wir plötzlich heraus. Es ist befremdlich, herausplatzen zu sagen, aber dieses Lachen hatte tatsächlich etwas Schulkindhaftes.
«Bei dir piept’s wohl!»
«Was? Freust du dich nicht? Du begegnest deinem Idol!»
Der Hausherr kam zurück mit einem Stuhl, einer Flasche und drei Gläsern. Er schenkte uns ein. Es war nicht zu übersehen, dass er sich in gesellschaftlichen Situationen sichtlich unwohl fühlte. Er wollte mit uns anstoßen. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob der Anblick dieses Mannes mich rührte oder mir Angst einflößte. Ich fragte mich, ob wir es mit einem aufgewühlten und leicht erregbaren Künstler zu tun hatten oder mit einem Psychopathen höchsten Grades.
Nach einer Weile stammelte er:
«Es ist sehr lange her, dass man mich das letzte Mal auf meine Bilder angesprochen hat … Meinen Sie das im Ernst, oder machen Sie sich über mich lustig?»
«Nein, wir schwärmen wirklich für Ihre Bilder …» Er ließ daraufhin eine Pause entstehen. Und ich hatte keine Ahnung, wie ich seine Pause ein wenig füllen könnte. Ich fürchtete, er könnte die Ironie des ganzen Unterfangens durchschauen, aber nein, er wirkte nicht übermäßig misstrauisch. Er lebte schon so lange ohne die geringste Zuwendung durch einen anderen Menschen vor sich hin, dass er jegliches Gespür für Hintersinn verloren hatte.
«Mit dem Malen habe ich schon lange aufgehört …»
«Am meisten gefällt uns das Bild mit der Kuh. Wir gehen wirklich regelmäßig hin und schauen es uns an.»
«Wann ist es denn entstanden?», fragte meine Großmutter.
«Ich weiß nicht. Mir sagt dieses Bild nichts. Ich erinnere mich nicht daran. Es hat mal eine Zeit gegeben, da hab ich viel gemalt. Mitunter mehrere Ölbilder am Tag.»
«…»
«Ich war wie besessen. Und dann, ich weiß nicht wieso, habe ich aufgehört … Das ist einfach so passiert … ich dachte, die Bilder sind alle unbrauchbar … ich bin eine Niete …»
«…»
Seine Stimme klang sanft, und man hatte den Eindruck, dass seine Worte ihn selbst am meisten verblüfften. Er sprach von seiner Malerei, so, wie man nach dem Erwachen am Morgen einen Traum zu rekonstruieren versucht. Und wir saßen da und hörten ihm zu. Spielten die Fans. Nun gut, die Tatsache, dass er aufgehört hatte, wog sicherlich nicht so schwer. Er hatte bewiesen, lichte Momente erlebt zu haben, denn das Bild von der Kuh blieb bei aller mir innewohnenden Gewogenheit diesem Mann gegenüber ein unbestritten unsägliches Machwerk. Ein Machwerk, das allein aufgrund seiner Unsäglichkeit durch die Nachwelt geisterte. Meine Großmutter, wohl von Mitleid ergriffen, wagte die Bemerkung:
«Schade, Sie hätten weitermachen sollen …»
«Echt? Finden Sie?»
«Ja, Sie haben einen markanten Stil. Niemand malt Kühe so wie Sie.»
Das stand außer Zweifel, keiner malte Kühe so wie er, dachte ich. Der Maler schien richtig bewegt. Ich stellte fest, unsere Zusammenkunft war dabei, sich in eine ungeahnteRichtung zu entwickeln. Wir waren gekommen, um uns einen Scherz zu erlauben, vielleicht auch ein bisschen, um den Kerl zum Narren zu halten, und am Ende sollten wir versuchen, einen in Verdammnis lebenden Künstler aufzurichten. Sein Gesicht nahm allmählich Farbe an, seine Auszeit war vorbei. Er wurde mitteilsam:
«Jetzt fällt es mir wieder ein … Ich hatte mal so eine Phase, in der ich lauter Porträts von Tieren gemalt habe. Es gibt eine große Katzenserie von mir. Katzen haben etwas ganz Großartiges an sich. Sie haben den höheren Glückszustand des ungezwungenen Nichtstuns erreicht. Menschen können das nicht. Nach einer Weile fangen sie immer an, mit den Händen herumzufuchteln, Reden zu schwingen, irgendetwas in die Wege zu leiten.»
«Ah ja, jetzt wo Sie es
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