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Souvenirs

Souvenirs

Titel: Souvenirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foenkinos
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sagen …», stimmte meine Großmutter zu.
    «Was machen Sie eigentlich … wenn das keine indiskrete Frage ist?»
    «Nichts. Vor zehn Jahren habe ich Geld geerbt. Nicht so wahnsinnig viel. Aber ich kann davon leben. Ich habe mich zur Ruhe gesetzt. Früher war ich Kunstlehrer. Also ich hab hauptsächlich sechste Klassen unterrichtet. Die Kinder haben mich total fertiggemacht. Bei denen ist mir die Lust am Malen vergangen.»
    «…»
    «Aber soll ich Ihnen sagen, was das Allerkomischste war?», fragte er.
    «Öh …ja …»
    «Dass ich ausgerechnet an der Pablo-Picasso-Schulegelandet bin. Das war ein starkes Stück. Jeden Morgen sah ich zu dem Schild auf, wo Picasso draufstand … Ich hatte die Malerei aufgegeben, und Picasso schaute auf mein jämmerliches Dasein herab … Na ja, ich langweile Sie bestimmt mit meinen Geschichten …»
    «Nein … nein, ganz sicher nicht», versicherten wir, auch wenn es wahrscheinlich nicht allzu überzeugend klang. Doch das störte unseren Gastgeber nicht weiter, und er fuhr fort. Zum ersten Mal seit Langem erzählte er aus seinem Leben und beschwor einige Erinnerungen herauf. Es geschah etwas Ergreifendes. Für einen Moment befreiten wir diesen Mann aus seiner tiefen Einsamkeit.
     
    Schließlich begann er, sich für uns zu interessieren. Er stellte Fragen nach meiner Arbeit, meinte, ich hätte den richtigen Beruf gewählt, die besten Ideen würden einem nachts kommen. Ich weiß noch, er sagte: «Die guten Ideen kommen nachts, wenn die schlechten schlafen.» Kann sein, dass der Satz ein bisschen anders lautete, aber so ungefähr. Nachdem er erst einen leicht erbärmlichen Eindruck auf mich gemacht hatte, ging mir das Schicksal des Malers mittlerweile zu Herzen. Er hatte einmal Träume gehabt. Gewiss, er verfügte nicht über die Mittel, sie zu verwirklichen; und da saß er nun in einem fast leeren Wohnzimmer und zehrte vom Chagrinleder eines kümmerlichen Erbes. Vielleicht würde ich nie imstande sein, einen Roman zu schreiben, und jedes Mal, wenn ich diese Angst spürte, sollte das Bild dieses Wohnzimmers in mir aufsteigen.
     
    Auch meiner Großmutter ging diese Geschichte nahe. Zum Abschied drückte sie dem einstigen Maler lange die Hand und dankte ihm für seinen freundlichen Empfang. Er bückte sich, um sie auf die Wange zu küssen, das heißt, er klappte vielmehr in der Mitte zusammen, ein Moment, der die Anmut der Ungeschicklichkeit besaß und sich mir einprägte. Nach unserem Aufbruch saß der Mann eine Stunde lang reglos auf seinem Kanapee. Dann stand er plötzlich auf, holte einen kleinen Schreibblock und notierte: «Papier, Pinsel und Farbe kaufen.» Und so kam es, dass seine alte Leidenschaft wieder aufflammte. Und so kam es auch, dass er eine neue Serie von Bildern malte, die den Titel «Kühe» trug.
     
    Nachdem wir uns aufgemacht hatten, gingen wir eine Weile schweigend dahin. Das Viertel war nach wie vor in seinen immerwährenden Sonntag gehüllt. Die Autofahrt verlief ebenfalls schweigend. Am Altenheim angekommen, begleitete ich meine Großmutter auf ihr Zimmer. Vor ihrer Tür bedankte sie sich. Danke für das schöne Geburtstagsgeschenk. Ich gab ihr einen Kuss, dann fuhr ich ins Hotel, ich war hin- und hergerissen zwischen Glück und Melancholie. Wie immer am Tag vor der großen Katastrophe, war ich in diesem Moment meilenweit davon entfernt zu ahnen, was passieren sollte.
    ∗ Ich setze drei Pünktchen, doch es ist mir nicht darum zu tun, ein Schweigen zu bezeichnen: Der Mann öffnete den Mund, und es sah wirklich so aus, als würden drei kleine Pünktchen austreten.

22
Erinnerungen des Malers des Bilds von der Kuh
    Früher nannte er sich Van Koon. Edgard Van Koon. Er fand es schick, als Maler einen niederländischen Namen zu tragen. Er wohnte in einem winzig kleinen Studio, was seinem gewaltigen Ehrgeiz aber keinen Abbruch tat; oder vielmehr: seiner unauslöschlichen Hoffnung, ein großer Maler zu werden. Er war zwanzig und malte gerne Tiere. In dem Studio türmten sich so viele Werke, dass daneben nur noch Platz für ein Kanapee zum Schlafen blieb. Er hatte in Galerien vorgesprochen, umsonst. Niemand wollte seine Bilder ausstellen. Er hatte kein Geld mehr, konnte die Miete nicht bezahlen. Wenn die Hauseigentümerin bei ihm klingelte, stellte er sich jedes Mal tot. Er gewöhnte sich an, Filzpantoffeln zu tragen, um nicht entdeckt zu werden. Einmal drohte die Hauseigentümerin, den Gerichtsvollzieher zu rufen, da machte er auf. Als sie das mit Bildern

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