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Souvenirs

Souvenirs

Titel: Souvenirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foenkinos
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erlebt hatten. Aus und vorbei. Adieu, Louise. Die Liebe war hin. Ich wechselte das Zimmer und bot unseres der Laufkundschaft an, auf dass sich unsere Erinnerungen in den widerwärtigen Verschlingungen der anderen verflüchtigten. Das Allerheiligste wurde entweiht. Ich glaube, mir kam die Zeit grauenvoll lang vor, aber eigentlich bin ich mir gar nicht so sicher, ob sie mich wirklich so lange warten ließ. Jedenfalls war ich tieftraurig. Denn ich wusste mittlerweile, wenn sie jetzt zurückkommen würde, wäre es zu spät.
     
    Eines Abends, als ich gar nicht mehr damit rechnete, zeigte das Display meines Handys ihren Namen an. Ich hatte mir fest vorgenommen, nicht ranzugehen, aber ich hob trotzdem gleich ab. Ich brachte es nicht übers Herz, meiner Wut freien Lauf zu lassen, sagte einfach «Hallo». Hundert Mal hatte ich mir zurechtgelegt, was ich ihr alles an den Kopf werfen würde, aber jetzt hob ich ab und fragte: «Geht’s dirgut?» Ich verlangte keinerlei Erklärung. Wir redeten so, über Gott und die Welt, als wäre der Kontakt nie abgebrochen. Nach einer Weile erklärte sie mir ihr Schweigen: «Das ist alles zu schnell gegangen mit uns. Als ich nach Hause gekommen bin, ist mir klar geworden, dass ich Abstand brauche. Ich konnte einfach nicht mit dir reden. Ich denk die ganze Zeit an dich, seitdem ich wieder hier bin … Ich hab dich nicht aus meinen Gedanken verbannt, ich weiß jetzt, dass du in meinem Leben eine wichtige Rolle spielst … aber das macht mir Angst …» Ich schwieg. Sie wiederholte: «Aber das macht mir Angst …», und dann fügte sie hinzu:
    «Es macht mir Angst, dass das alles so schnell geht, mit der Liebe.»
     
    Mit einer Handvoll Wörter hatte sie meinen ganzen Groll und die Hassgefühle, die ich für sie empfunden hatte, hinweggefegt. Ich fand sogar noch mehr Entschuldigungen für sie. Und ich dachte mir, sie hatte recht, ich hätte es genauso machen sollen, Abstand nehmen, um unsere Bekanntschaft zu verdauen. Ich war so verliebt, dass der Gedanke, dass alles meine Schuld war, nicht lange auf sich warten ließ. Ich hätte mich über ihr Schweigen nie so aufregen dürfen. Sie hatte sich zurückgezogen, weil sie von einem gewaltigen Glück überrascht worden war, das uns nun im Nacken saß. Fürs Erste waren beide noch einmal kurz nach Hause gegangen, und ich musste zugeben, dass es sonst nicht viel dazu zu sagen gab. Ich musste zugeben, dass das Buch der Liebe nicht in SMS geschrieben wurde.
    ∗ Ich würde den nun folgenden Dialog nicht als meinen Lieblingsdialog bezeichnen, aber ich wähle eben die realistische Option, was durchaus ein Wagnis ist.
    ∗ Letztlich finde ich diesen Dialog richtig ergreifend.

56
Erinnerungen des Mannes, der an einem Rasthof an der A 13 nachts an der Kasse arbeitete
    Seitdem er nachts auf dem Rasthof arbeitete, hatte er so viele obskure Dinge erlebt, dass es ihm schwerfiel, die Erinnerung an eine einzelne Begebenheit besonders herauszuheben. Viele kleine Tragödien spielten sich ab, die Ehestreitszenen, fand er, waren am hübschesten mit anzusehen. Es kam öfter vor, dass ein Mann einfach davonfuhr und seine Frau verstört und allein in der Nacht zurückließ. Den umgekehrten Fall gab es auch; er hatte Männer gesehen, die vollkommen hilflos dastanden oder wie Wahnsinnige umherirrten. Oft setzten die Leute auch Tiere aus. Sie fühlten sich wohl schlecht, weil sie die armen Tiere einfach so im Stich ließen, und beruhigten ihr Gewissen damit, dass sie sie wenigstens auf einem Rasthof absetzten; so, wie man jemandem ein Baby vor die Tür legt. Wie viele Hunde, Katzen, Hühner, Hamster, Mäuse hatte er aufgelesen … Einmal war sogar ein Papagei dabei. Man musste schon einen leichten Sprung in der Schüssel haben, um auf die Idee zu kommen, eine Autobahnraststätte anzufahren und sich dort einen Papagei vom Hals zu schaffen. Und dennoch war das bestimmt eine seiner schönsten Erinnerungen. Er stand draußen in tiefster Nacht und rauchte eine Zigarette, als er den kleinen Papagei in seinem Käfig sitzen sah. Der Papagei blickte wie eingeprügelter Hund drein. Der Mann fragte sich, was er nun mit ihm machen sollte. Der Papagei war wirklich nicht gut drauf. Der Mann hatte keine Ahnung, was so ein Papagei für Nahrung zu sich nahm. Er holte ihn herein, ließ ihn aus dem Käfig, streichelte ihn ein wenig. Die Kunden freuten sich, wenn sie den Papagei sahen. Sie fragten: «Wie heißt er? Kann er sprechen? Haben Sie den schon lange?» Nie hatten die Leute so viel

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