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Sozialisation: Weiblich - männlich?

Titel: Sozialisation: Weiblich - männlich? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Hagemann-White
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und Frauen hatten fast identische und viel bessere Leistungen als „weibliche“ Frauen und Männer, die sich auch ähnelten. Lediglich für die Gruppe der „Androgynen“ im Sinne von Bem (dies schließt sowohl gleichermaßen starke Ausprägungen von männlich und weiblich, wie auch gleichermaßen schwache Ausprägung beider Bereiche ein) war festzustellen, daß Männer – wie in der Forschung über diesen Test bislang berichtet worden war – bessere Leistungen als Frauen erbringen.
    Auch
Nash
(1979) betont, daß Unterschiede in kognitiven Leistungen nach Geschlecht dann erscheinen, wenn der soziale Druck zur Anpassung an die Geschlechtsrolle in der Pubertät ansteigt. Mädchen, die die männliche Geschlechts-rolle vorziehen (bzw. ein „männliches“ Idealbild von sich haben) hatten gleich gute visuell-räumliche Leistungen wie Jungen; aber unter den 14-jährigen Mädchen gab es schon wesentlich weniger solcher Mädchen als unter den 11-jährigen, sodaß ein Unterschied „nach Geschlecht“ unter den 14-jährigen auftrat.
    Wenn es also zutrifft, daß „androgyne“ Menschen gesünder und realitätstüchtiger sind, so ist -man versucht zu sagen: Ein hohes Maß an Männlichkeit ist dafür unverzichtbar, eine Portion Weiblichkeit dazu kann nicht schaden – so lange die Männlichkeit nicht darunter leidet. Zusätzlich wäre anzumerken, daß nach den Daten von Spence und Helmreich die Wahlmöglichkeit einer stärkeren männlichen Ausprägung vor allem den Mädchen der oberen sozialen Schichten vorbehalten ist, zumindest bis sie 16 oder 17 geworden sind.
     

3. Zur Relevanz der Biologie bei der Erklärung von geschlechtstypischem Verhaften
     
    Die Hartnäckigkeit, mit der eine biologische Verursachung von Geschlechtsunterschieden im Verhalten zur Diskussion gestellt wird, macht eine Erörterung der möglichen Bedeutung biologischer Sachverhalte erforderlich.
    Thesen über die biologische Verursachung von Verhalten sind häufig eine verwirrende Mischung aus legitimer wissenschaftlicher Hypothesenbildung und altbackenem Vorurteil. Darstellung und Kritik sind entsprechend schwierig. Es müssen mindestens folgende Stränge entwirrt werden:
Welche Unterschiede stehen überhaupt zur Erklärung an?
Wir haben gesehen, daß unterschiedliche Ergebnisse in der Aussage zustandekommen, je nachdem, welche Operationalisierung für eine bestimmte Fähigkeit oder ein bestimmtes Verhalten gewählt wird. Von der Ursachenfrage her muß die Frage umgekehrt aufgerollt werden: wenn in der Tat eine bestimmte experimentelle Anordnung zu Unterschieden im Verhalten der Geschlechter führt, wie soll das Phänomen bestimmt werden, dessen Ursache wir suchen? Wenn etwa 6 bis 9-jährige amerikanische Kinder zu zweit ein Bild malen und der Junge regelmäßig die Hauptumrisse des Bildes bestimmt, sollen wir das als Anzeichen für Dominanz oder für künstlerische Neigung deuten? Die kulturelle Bedingtheit der meisten im Experiment abverlangten Tätigkeiten ist zu offensichtlich, um sie unmittelbar zum Gegenstand von Vermutungen über biologische Ursachen zu machen. So wird, ehe überhaupt die Diskussion um Biologie einsetzt, gewaltig und meist unzulässig von den Daten abstrahiert.
Wie groß und wie gut belegt sind die Unterschiede?
Sollte die unterschiedliche Physiologie von Frauen und Männern irgend eine Erklärung für ihr unterschiedliches Verhalten liefern, so müßten die Verhaltensunterschiede wohl regelmäßig, zuverlässig und deutlich auftreten. Ist dies nicht der Fall, so können wir zwar immer noch auf die gegenläufigen Wirkungen der Kultur verweisen. Wird aber einmal zugestanden, daß die Kultur im gegebenen Bereich die Biologie überspielen kann, so befinden wir uns im Bereich der völligen Spekulation; denn ebensogut könnten wir empirisch noch nie beobachtete Unterschiede als biologisch angelegt aber kulturell überspielt behaupten. Kulturell vorherrschende Muster können dann genausogut als Reaktionsbildung gegen biologisch entgegengesetzte Grundtendenzen interpretiert werden, was ein reizvolles Gebiet für die Fantasie eröffnet. Will die biologische Erklärung sich auf vorhandene empirische Regelmäßigkeiten beziehen, so müßten die gefundenen Unterschiede ausreichend groß sein, um mit der Wirkungsweise biologischer Mechanismen vereinbar zu sein. Die Unterschiede aber, die für größere Bereiche (die also nicht auf spezielle Versuchsanordnungen beschränkt bleiben) verallgemeinert werden können, sind durchweg sehr

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