Spademan: Thriller (German Edition)
Kareem Abdul-Jabbar oder was weiß ich was rum. Sogar als der beschissene Chewbacca.
Tatsache. Als der beschissene Chewbacca.
Dann schafften sie irgendwann die Helme und Brillen ab und machten die Sache tausendmal überzeugender. Man musste nur noch in ein Bett steigen. Aber diese Betten sind teuer. Angefangen von einem simplen Basis-Modell bis hin zu einem dieser silbernen Geschosse. Die Basis-Modelle sind einfach nur aufgemotzte Pritschen, aber die Topmodelle sind schimmernde Halbsärge, persönliche Rettungskapseln mit einem Haufen Touchscreens, die einen sanft in den Traum hinübergleiten lassen, und Sensoren, die genau die richtige Dosis an Beruhigungsmitteln wählen. Ein absolut umfassendes Erlebnis.
So wirklich wie die Wirklichkeit.
Das ist ihr Slogan.
Was die technische Seite des Ganzen betriff, da kann ich Ihnen nicht allzu viel drüber sagen. Ich bin kein IT-Spezialist. Außerdem war ich bisher nur ein paarmal in einem Bett.
Und nicht unbedingt in einem Luxusmodell.
Jedenfalls ging man damals rasch davon aus, dass damit das große Geld zu machen ist. Doch die erforderliche Bandbreite war enorm. Also bauten sie ein weiteres Netzwerk auf, nannten es die Limnosphäre und überließen das langweilige alte Internet dem Rest von uns. Das Internet ging den Bach runter, aber den Reichen war das egal, weil die Reichen in die Limnosphäre abdrifteten. Sie war wie das Internet, nur besser, viel besser, weil es ein Internet war, in dem man richtig leben konnte. Zumindest die Reichen. Die Kosten waren natürlich astronomisch, aber andererseits nennt man sie ja auch nicht ohne Grund die Reichen.
Die Vorteile lagen auf der Hand. Entweder in dreizehn Stunden Erster Klasse von New York nach Tokio fliegen oder einfach ins Bett schlüpfen und das Meeting in wenigen Minuten abhalten, mit dir selbst am Kopf der Tafel, mit Steroiden und Cialis aufgepumpt wie ein Gladiator. Verschwende zwanzigtausend Mäuse an deinen Schönheitschirurgen, der ohnehin immer nur dieselbe alte Haut zurechtschnippelt, oder kauf dir einen Monatspass für die Limnosphäre, in der du hüftschwingend wie Marilyn Monroes hübsche junge Schwester die Park Avenue entlangstolzieren kannst. Mit einem Leopardenschwanz.
In der Scheinwelt.
Trotzdem war es am Anfang nur ein Teil des Lebens. Zwar ein süchtig machender, wahnsinniger, verführerischer, zerstörerischer Teil des Lebens, aber eben nur ein Teil. Sie nannten es Limno gehen oder sich einstöpseln oder außerkörperliche Erfahrung oder was auch immer, und die meisten Menschen klinkten sich ein und wieder aus. Das war am Anfang.
Aber nach der zweiten Anschlagswelle und der schmutzigen Bombe? Da waren die Reichen plötzlich von der Bildfläche verschwunden. Obwohl sie nirgendwo anders hingingen – sie ließen einfach nur die Rollläden runter und zogen sich vollends in ihre Betten zurück. Sie stellten eine Krankenschwester ein, die ihre Vitalfunktionen überprüfte, schrieben einen Scheck für die wöchentlichen Beutel mit Nährlösung aus, stellten bewaffnete Wachposten vor ihre Türen, und dann hieß es: Gute Nacht Mond, gute Nacht Sterne, gute Nacht Welt.
Das war vor etwa fünf Jahren.
Warum ich Ihnen das alles erzähle? Weil es bei mir üblicherweise folgendermaßen läuft: Ich kriege einen Namen, finde die Adresse heraus, dringe leise ins Haus ein und schleiche mich dann zu der verkümmerten, halb verrotteten alten Person in ihrem Sarg. So sieht die Person übrigens auch aus, wenn sie erst dreißig ist. Nährlösungen halten Sie zwar am Leben, aber sie sind Gift für Ihre jugendliche Schönheit. Oder Ihre Haare. Wenn man anfängt, Vollzeit Limno zu gehen, und permanent im Bett liegt, lässt man seinen realen Körper völlig verwahrlosen.
Diese Leute liegen einfach nur halb mumifiziert und sabbernd da. Und wenn Sie Pech haben, dann ist in dieser schäbigen realen Welt noch irgendjemand übrig, der seinen Groll auf Sie nicht überwinden kann. Und dann findet er meine Nummer heraus. Und ich finde Sie.
Ein rascher Schnitt mit dem Teppichmesser, und alles ist vorüber.
Aber vielleicht nicht ganz. Nicht in der Traumwelt.
Es gibt da eine Theorie – die aber vermutlich nicht beweisbar ist –, dass es beim Todeszeitpunkt zu einer erhöhten Gehirnaktivität kommt. Ein letzter hilfloser, hoffnungsloser Seufzer des Bewusstseins. Normalerweise ist das der Kuss, den Sie der Welt zuhauchen, bevor Sie endgültig von der Bühne abtreten.
Ja, stimmt, ich hab tatsächlich mal Schultheater gespielt.
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