Spademan: Thriller (German Edition)
einer Wohnung austauschen, und schon gehörte sie einem. Der Bürgermeister verkündete eine Amnestie für Hausbesetzer, man konnte sich niederlassen, wo man wollte. Gelegentliche Streitigkeiten wegen Wohnansprüchen wurden durch Faustkämpfe geregelt und nicht durch Mietverträge, denn die Cops waren anderswo beschäftigt. Irgendwann beruhigte sich das Ganze wieder, denn es stellte sich heraus, dass genug Platz für alle da war.
Als die Wiederwahl vor der Tür stand, legte der Bürgermeister nach. Sein Wahlprogramm basierte auf Neubauten und Neubelebung. Von einem Podium herab erklärte er, die Stadt sei bereit für den ersten Spatenstich. Ich denke, er hatte recht, aber nicht in dem Sinne, wie er es meinte.
Wenn ich gewollt hätte, hätte ich damals vermutlich sogar in die Park Avenue ziehen können, doch zu diesem Zeitpunkt erschien es mir vernünftig, mich auf die andere Seite des Flusses zurückzuziehen. Die war mir ohnehin immer lieber gewesen. Selbst wenn man ein Boot brauchte.
Übrigens gibt es auch keine Wall Street mehr, zumindest nicht in New York. Die Straße selbst gibt es natürlich noch, man kann dort entlangspazieren, aber die Finanzwelt? Die ist woandershin gezogen. London, Peking, Seoul. Eine Weile lang haben sie noch versucht, in der Limnosphäre mit Aktien zu handeln, haben eine virtuelle Börse aufgezogen, doch es gab zu viele Ablenkungen, man konnte zu viel Geld mit den sündigeren Begierden machen. Also errichteten sie ein separates Netzwerk und verlegten den ganzen Geldhandel irgendwo nach Übersee. Die Banker und Broker zogen um. Gut, dass wir sie endlich los waren! Und danke für den Diwan.
Ich gebe zu, Diwan ist ein Wort, das ich nachschlagen musste. Eine Freundin, die zu Besuch war, hat es gebraucht. Sie hat gesagt, sie findet ihn bewundernswürdig.
Meinen Diwan aus zweiter Hand.
Auch Persephone bewundert meinen Diwan. Sie fläzt sich darauf. So entspannt zurückgelehnt, wirkt sie jetzt noch deutlicher schwanger. Ihr weißes Muskelshirt unter dem geöffneten Kapuzenpulli spannt sich über ihrem halbkugelförmigen Bäuchlein. Schätzungsweise fünfter Monat. Na klar, als ob ich plötzlich Arzt wäre.
Ich mache eine Führung durch die Räumlichkeiten.
Da hinten ist dein Zimmer. Ein Schloss an der Tür, wie versprochen. Das Badezimmer ist hier. Saubere Handtücher, alles da. Ich schlafe hier draußen.
Danke.
Sie drückte das Gästekissen an ihre Brust. Stellt eine naheliegende Frage.
Warum bist du so nett zu mir?
Es war ein trauriger Tag, als die Leute angefangen haben, routinemäßig diese Frage zu stellen, findest du nicht?
Sie lacht.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass das mal anders gewesen wäre.
Willst du frische Klamotten?
Sie schüttelt den Kopf. Zieht den Reißverschluss des Mein-kleines-Pony-Rucksacks auf. Fast erwarte ich, dass ein winziges Pony herausschlüpft.
Stattdessen enthält er ein Fläschchen und Windeln.
Die wirst du noch nicht so bald brauchen.
Schon klar. Ich hab sie trotzdem gern dabei. Erinnert mich daran, wozu ich das alles überhaupt tue, verstehst du?
Das leuchtet ein.
Den Rucksack hab ich schon, seit ich klein war. Hat mir immer ein Gefühl der Sicherheit gegeben. Ich hoffe, ich kann ihn ihr weitergeben, sofern sie ein Mädchen wird.
Sieht ein bisschen runtergekommen aus.
Ja, stimmt. Leider konnte ich den Teil vom Central Park mit den sauberen Bettlaken nicht finden.
Sie lächelt.
Du bist kein Mitarbeiter der Jugendfürsorge, oder?
Ich? Nein. Aber ich komme wirklich aus Hoboken.
Wirst du mir wehtun?
Nein.
Wolltest du mir wehtun?
Das ist schon schwerer zu beantworten. Ich verneine. Weil ich versucht hätte, es schmerzlos über die Bühne zu bringen. Trotzdem ist es eine Lüge, schon klar.
Tja, vielen Dank jedenfalls. Für deine Hilfe. Ich hab hier nicht allzu viele Leute getroffen, die bereit waren, mir zu helfen.
Keine Ursache.
Hörst du gerne Musik?
Nein.
Was hörst du dann?
Ich hebe eine Hand. Ein Moment der Stille.
Die Ruhe über der Stadt.
Das höre ich mir an.
Eine Menge Leute hier sind eingestöpselt, oder?
Klar. Nicht alle. Aber eine Menge.
Ich schätze, ich sollte langsam mal ins Bett gehen.
Ruf einfach, wenn du was brauchst. Ich habe einen leichten Schlaf.
Sie mustert mich. Dann fragt sie.
Wie alt bist du eigentlich? Ich hab dir mein Alter auch verraten. Also ist es nur fair, wenn ich deins auch weiß.
Ich? Ich bin du in fünfzehn Jahren.
Sie verzieht das Gesicht. Lacht erneut.
Gott, hoffentlich
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