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Späte Familie

Späte Familie

Titel: Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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scheint meinen Patienten gut zu tun, plötzlich sind alle Menschen um sie herum deprimiert und haben Angst, sie fühlen sich nicht mehr als Ausnahme, sie reagieren geradezu erleichtert auf den kollektiven Schrecken.
    Interessant, das hätte ich nicht gedacht, sagt sie, und was ist mit dir selbst, Oded, hast du nicht manchmal die Nase voll davon, ständig nur irgendwelche Leute zu behandeln? Er lächelt, nein, wirklich nicht, ich bin süchtig danach, das ist doch etwas Fantastisches, man kann die meiste Zeit des Tages sich selbst getrost vergessen, beschäftigt sich nur mit anderen und schafft es sogar manchmal, ein Resultat zu erzielen, nur wenn ich die Praxis verlasse, erinnere ich mich plötzlich wieder an mich selbst, leider, und als ich sein trauriges Lächeln sehe, fällt mir auf, dass es schon lange nicht mehr aus seinem Gesicht gewichen ist, und wieder erwacht in mir die Sehnsucht nach ihm, wie er früher war, die Sehnsucht nach unserem kurzen Glück.
    Und was ist mit dir, fragt er schnell, malst du zurzeit viel? Sie zündet sich eine Zigarette an, mit gelblich verfärbten Fingerspitzen, und sagt, so viel ich kann, kennst du dieses Bild schon? Sie deutet auf ein großes graues Gemälde an der Wand, und er betrachtet es mit zusammengekniffenen Augen, die leeren Regale, erklärt sie geduldig, in letzter Zeit versuche ich, die Leere zu malen, leere Schränke, leere Gefäße, das ist viel schwerer, als ich mir vorgestellt habe, es ist, als würde man Luft malen, man kann sich an nichts festhalten, und Oded stellt sich vor das Bild, sehr beeindruckend, Orna, sagt er anerkennend, weißt du, vor gar nicht langerZeit habe ich gelesen, dass nach der Kabbala in einen leeren Raum die Göttlichkeit eintreten kann, und als ich sehe, wie lebhaft er sich mit ihr unterhält, wie er die letzten Silben dehnt, als würde es ihm schwer fallen, sich von den Wörtern zu trennen, fliegt ihm mein Herz zu, und ich beschwöre flüsternd seinen Rücken, du wirst auch mit mir noch so reden, du wirst auch mich noch so anlächeln.
    Sie unterbricht das Gespräch, wo bleibt er denn, dieser Trödler, wie lange der braucht, um Fladenbrot zu kaufen, bestimmt treibt er sich wieder in den Kirchen herum und hat vergessen, dass ihr kommt, ich sage dir, Oded, mein Eheleben ist eine einzige Farce, du hast keine Ahnung, wie sehr ich von ihm die Nase voll habe, was fange ich bloß mit ihm an, und Oded lacht, das höre ich schon seit zwanzig Jahren, ihr werdet euch bis an euer Lebensende nicht trennen, warum glaubst du, würde es dir ohne ihn besser gehen? Und ich habe das Gefühl, als spräche er über seinen eigenen, kurzen und traurigen Versuch mit mir, von dem nichts geblieben ist.
    Stell dich nicht so naiv, sagt sie und bewegt ihren gelblichen Finger vor seinem Gesicht, Oded, gib dir keine Mühe, das ist doch genau das, was du getan hast, sie wendet sich neugierig zu mir, und du auch, du hast doch auch eine Trennung hinter dir, nicht wahr? Ich nicke traurig, versuche, mich an meine neue Identität zu gewöhnen, ich treffe selten Menschen, die mich nicht von früher kennen, die Amnon nicht kennen, für sie bin ich eine Frau, die eine gescheiterte Familie hinter sich hat, eine vergangene Familie, die sie stumm überallhin begleitet, wie ein dunkler Schatten, sogar bis hierher, in dieses Dorf im Galil.
    Du hast eine Tochter, fragt sie, die so alt ist wie Jotam, nicht wahr? Vermutlich kramt sie in ihrem Gedächtnis nach allem, was sie über mich gehört hat, und ich korrigiere siesofort, einen Sohn, keine Tochter, und sie fragt, und wie kommen die drei miteinander aus? Es geht so, sage ich, es ist nicht leicht, und sie verkündet sofort in einem nicht besonders angenehmen Ton, warum sollte es auch leicht sein? Ich habe gleich zu Oded gesagt, dass es verrückt ist, unter solchen Umständen zusammenzuziehen, warum soll man es den Kindern noch schwerer machen? Aber du weißt ja, wie Männer sind, sie überlegen nie zu Ende, er ist zwar ziemlich gescheit, aber auch er hat seine schwarzen Löcher, die Leichtigkeit, mit der sie unsere Entscheidung als Fehler bezeichnet, als Fehler, den ich hätte vermeiden müssen und nicht vermieden habe, lässt mich zusammenzucken, während ich vor ihrem bedrohlich wirkenden grauen Bild stehe.
    Ein Fehler, so eindeutig, dass jedes Kind ihn gesehen hätte, und jetzt bleibt uns nichts anderes übrig, als

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