Späte Familie
so unbeständig wie du, zischt er, wenn ich gehe, gibt es für mich keinen Weg zurück, ich kenne dich, es wird dir noch Leid tun und du wirst zurückkommen wollen, doch dann bin ich schon woanders, merk dir das, wenn ich etwas hinter mir lasse, dann für immer, du hast nicht mehr viel Zeit. Diesmal ist er es, der mir den Rücken zudreht und weggeht, und ich versuche, ihm einen letzten Pfeil nachzuschieÃen, hör auf, mir zu drohen, die Zeit ist vorbei, in der mich deine Drohungen eingeschüchtert haben, aber diesmal scheint der Pfeil seinen breiten, sich entfernenden Rücken zu verfehlen, er fliegt durch den Park, ja, die Zeit ist vorbei, ruft er, in der jeder Streit ein Loch in mir aufgerissen hat und ich nicht wusste, wohin mit meinem Kummer, in der ich Groll und Feindseligkeiten nicht ertragen konnte, in derich mich mit dir versöhnen musste, auch wenn mein Ãrger weit entfernt davon war zu verlöschen, nie werde ich mich nach dieser Zeit zurücksehnen, lieber lebe ich alleine als so, in solcher Verletzbarkeit dir gegenüber, ja, immer dir gegenüber, nie neben dir.
Lebt ihr auch alle so, wende ich mich schweigend an das provisorische Lager der anderen Mütter, von einem Streit zum nächsten, von einer Beleidigung zur nächsten, von einer Feindseligkeit zur nächsten, in der Erwartung eines Moments der Feuerpause, die in euch die Erinnerung an ferne Liebe weckt, während ihr euch anstrengt, mit knirschenden Zähnen die Familie zusammenzuhalten, müde und enttäuscht und trotzdem aneinander geklammert wie in einem tiefen Schlaf, oder wisst ihr etwas, was mir verborgen ist, vielleicht haben eure Mütter euch ein Geheimnis zugeflüstert, einen Zauber, der von Generation zu Generation weitergegeben wird und von dem nur ich nichts erfahren habe, erzählt mir, was bringt eure Körperzellen dazu, diese Sanftmut zu produzieren, denn das ist es, was uns fehlt, Sanftmut.
In der Ferne erkenne ich eine Frau, die ein Tuch von ihren Schultern nimmt und es über die Schultern ihres Mannes legt, und diese einfache Handlung lässt mich einen Seufzer ausstoÃen, ich lehne mich an den Zaun, betrachte die im Kreis sitzenden Körper, die darauf bedacht sind, die Kleinen zu schützen, die sich in ihrer Mitte versammelt haben, es erinnert an die Ãberreste vorzeitlicher Siedlungen, eine Reihe von Zimmern, aneinander gedrängt und dazu bestimmt, die Menschenherde bei Nacht zu schützen. Ich erforsche sie hartnäckig, suche nach Anhaltspunkten in den fremden Gesichtern, als würden sich Trümmer vor mir auftürmen, um etwas über jenes fremde Leben zu erfahren, dabei sind es doch keine Ruinen, die daraufhin untersuchtwerden können, ob sie nach der ägyptischen Elle geformt sind oder nach dem griechischen FuÃ, ob es sich um eine Kultstätte handelt oder um ein Wohnhaus, ich habe keine Scherben von Stein- oder Tongeschirr vor mir, diese Fundstücke hier sind beweglich, wenn sie aufstehen und gehen, werden sie nichts zurücklassen, auÃer vielleicht den Kern eines Pfirsichs, eine aus der Tasche gefallene Münze, einen benutzten Schnuller, dessen Fehlen später viel Unruhe hervorrufen wird, es ist leichter, die steinernen Relikte zu entschlüsseln als die lebendigen, ja, diese Fundstücke hier verändern sich von Minute zu Minute, da ist zum Beispiel Michals Decke, die plötzlich verlassen ist, allein zurückbleibt, ausgebreitet, während ihr Mann, die Tochter an der Hand, finster hin und her läuft. Zerstreut verfolge ich seine Schritte, sehe sein Profil, hart und doch zerbrechlich, warum hat er die Familiendecke verlassen, nicht weit entfernt steht Amnon, groà und ein wenig gebeugt, eine Frau in einem langen Kleid spricht ihn an, während ich meinen Blick über den Rasen schweifen lasse und nach den Kindern Ausschau halte.
Vielleicht hat niemand gemerkt, dass sie verschwunden sind, nicht einmal mehr ihre Stimmen sind zu hören, vielleicht hat die Königin Schabbat sie entführt und in ein anderes Land gebracht und dort wandeln sie in weiÃen Gewändern wie Engel umher, lange Kerzen in den Händen, und das Wachs tropft auf ihre Hände, auf ihre abgekauten Fingernägel, rinnt über ihre Arme auf ihren leicht gewölbten Bauch, sammelt sich in der ovalen Vertiefung ihres Nabels und läuft über ihre schmalen Hüften auf die Oberschenkel, seht nur, unsere Kinder sind von Kopf bis Fuà mit
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